Diskussion um Sicherheit: Vertrauen Sie mir

Sicherheit klingt gut. Jeder denkt, er wIsse, was damit gemeint ist. Aber sie ist ein Versprechen, dessen Einlösung sich oft nicht kontrollieren lässt.

Kritik? Pssssst. Wer unklare Sicherheitsversprechen gibt, fordert blindes Vertrauen ein Bild: Imago/Joana Kruse

Alle versprechen sie. Der Staat, die Unternehmen, sie alle verkünden, viel für unsere Sicherheit zu tun. Das klingt gut. Doch die Frage ist: Welche Art von Sicherheit ist eigentlich gemeint? Weniger Anschläge? Weniger Banküberfälle? Mehr Festnahmen? Mehr staatliche Überwachung? Oder heißt mehr Sicherheit: Mehr Schutz vor staatlicher Überwachung? Weniger Festnahmen? Mehr Schutz vor datensammelnden Unternehmen? Oder vor dem neugierigen Partner?

Ähnlich zwiespältig lesen sich die Äußerungen der Bundesregierung. Da heißt es einmal: „Die Arbeit von Nachrichtendiensten in demokratischen Staaten war für die Sicherheit der Bürger immer unerlässlich und wird es auch in Zukunft sein.“ Dann aber: „Die Bundesregierung befürwortet Maßnahmen, die der Verbesserung von Datenschutz und Datensicherheit dienen.“

Eine Seite muss da verlieren. Entweder die Privatsphäre. Oder der Geheimdienst – und damit das von Politikern beschworene Bedürfnis der Bevölkerung nach nicht näher definierter Sicherheit. Die vermeintliche Sicherheit des einen führt hier zur Unsicherheit des anderen. Man kennt das von Staaten, die gerade beim Wettrüsten sind, Panzer um Panzer, Rakete um Rakete.

Jetzt findet das Wettrüsten vor allem im Raum der digitalen Kommunikation statt. Im Gegensatz zum Kalten Krieg ist hier aber nicht so eindeutig, wer auf welcher Seite steht. Die Koalitionen wechseln, die Frontverläufe sind nicht immer zu erkennen. Mal kämpfen Staat und Unternehmen gegen Bürger. Mal der Staat an der Seite der Bürger gegen Unternehmen.

Welche Art von Sicherheit bekommt man?

Derselbe Staat, der zur Nutzung von Verschlüsselungswerkzeugen aufruft, will sich ein Hintertürchen offen halten und unbemerkt auf persönliche Kommunikationsdaten zugreifen. Geheimdienste nutzen Sicherheitslücken, dabei sollen sie doch Bevölkerung und Unternehmen vor Angriffen bewahren. Und selbst wenn Persönliches in der Cloud vor kriminellen Hackern geschützt sein mag, kann trotzdem die NSA darauf Zugriff haben. Da ist es sehr praktisch, wenn der Nutzer, der Verbraucher, der Bürger gar nicht so genau weiß, welche Art von Sicherheit er zugesagt bekommt.

Sicherheit. Klingt gut, ist universell anwendbar, und jeder denkt sofort, er wüsste, was damit gemeint ist. Tatsächlich ist Sicherheit vor allem ein Versprechen, das uns auffordert, darauf zu vertrauen, dass es eingelöst wird. Allerdings ist Vertrauen in der Politik eine instabile Währung. Die Bundeskanzlerin spricht gerne mal kippenden Ministern ihr „vollstes Vertrauen“ aus. Wer heute noch vertrauenswürdig war, ist morgen womöglich reif für den Rücktritt. Auf das Vertrauen, das die Bundeskanzlerin in ihre Kabinettskollegen setzt, ist also kein Verlass. Zumindest dann nicht, wenn sie es versichert.

Um Vertrauen geht es auch, wenn der BND Sicherheit verspricht. Der Leiter vom Standort Bad Aibling des BND, der neulich als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Bundestages war, konnte auf die Frage, wie viele Anschläge durch die geheimdienstliche Überwachung verhindert wurden, keine Antwort geben: „Dazu gibt es keine Zahlen.“ Man muss also dem Versprechen des BND glauben, dass seine Tätigkeit vor Anschlägen schützt. Ähnlich verhält es sich mit dem Ruf nach Vorratsdatenspeicherung, wie er häufig aus Polizeikreisen zu hören ist. Zahlen, die das Instrument tatsächlich als wirksam bei der Verbrechensbekämpfung belegen, gibt es auch hier keine. Sicher ist nur, dass die anlasslose Speicherung von Daten mit Grundrechten kollidiert.

Sicherheit und Vertrauen, beide Begriffe sind nicht nur auf den ersten Blick ähnlich eindeutig und auf den zweiten Blick ähnlich nebulös. Wer unklare Sicherheitsverprechen gibt, fordert blindes Vertrauen ein. Der Bürger, Verbraucher, Nutzer hat dabei das Nachsehen: Er weiß nicht, was ihm genau versprochen wird. Und selbst wenn er es wüsste, ist er in vielen Bereichen gar nicht in der Lage, ein solches Versprechen zu überprüfen und Konkretes einzufordern.

Das Bedürfnis nach Geheimhaltung

Das gilt nicht nur im Bereich des Internets und der Informationstechnologie. Wo es um Sicherheit geht, ist das Bedürfnis nach Geheimhaltung am größten. Die Lieblingsantwort der im NSA-Untersuchungsausschuss vernommenen BND-Vertreter auf kritische Fragen lautet: „Nichtöffentlich.“ Die Geheimhaltung kommt den Sicherheitsbehörden in jeder denkbaren Situation zupass: Die Kriminalität ist gesunken, es gab keine Anschläge? Sie haben gute Arbeit geleistet. Die Kriminalität hat zugenommen? Dann müssen die Sicherheitsanstrengungen und Budgets erhöht werden.

Alle Risiken, sagt der Soziologe Ulrich Beck, haben die Eigenschaft, mehr oder weniger unsichtbar zu sein. In der Welt des Digitalen gilt das umso mehr. Die Katastrophe kann genauso unsichtbar sein wie ein wirksamer Schutz vor ihr. Wenn man etwa keinen Datenklau feststellen kann – ist dann alles in Ordnung oder hat man nur nichts gemerkt?

Das schönste am Sicherheitsversprechen aber ist: Es kostet nichts. Weil niemand weiß, was genau hier eigentlich versprochen wird, kann sich niemand in die Irre geführt fühlen. Keiner demonstriert oder zieht vor Gericht, weil sich die versprochene Sicherheit letztlich vor allem als eines zeigt: ziemlich unsicher.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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