Motive der Jerusalemer Mörder: „Gewalt nährt Gewalt“

Mustafa Abu Sway über die Motive der beiden jungen Palästinenser: Sie nahmen das eigene Sterben in Kauf, um andere zu töten.

Ein Verwandter zeigt Bilder der beiden mutmaßlichen Attentäter. Bild: ap

taz: Am Dienstag sind vier ultraorthodoxe Juden in einer Synagoge ermordet worden. War der Akt politisch oder religiös motiviert?

Mustafa Abu Sway: Wir dürfen uns nicht nur auf diesen Gewaltakt konzentrieren, und dann auf den nächsten und anschließend wieder auf einen. Gewalt nährt Gewalt, auf beiden Seiten werden Zivilisten getötet. Wir müssen das Gesamtbild betrachten. Letztendlich ist die Besatzung Grund für die Gewalt.

Sie sind Dozent und täglich in Kontakt mit jungen Palästinensern. Warum nehmen zwei Mitte 20-Jährige den eigenen Tod in Kauf, um andere zu töten?

Es hat keinen Sinn, über die aktuelle Motivation der Täter zu spekulieren und den Zusammenhang zu vernachlässigen. Diese jungen Leute wachsen unter sehr ungesunden Bedingungen der Besatzung auf. Hier geht es um eine kontextuelle Gewalt.

Entwickelt sich der politische Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern zu einem regionalen Religionskrieg?

Die Situation ist sehr gefährlich, trotzdem darf die aktuelle Spannung nicht nur als Sicherheitsproblem betrachtet werden. Es stehen politische Themen an, die wir angehen müssen. Es wäre schon ein sehr großer Schritt, wenn Israel die Grenze von 1967 anerkennen würde. Ich hoffe, dass die Politiker weise genug sind, um diese Nakba, die Flucht und Vertreibung der Palästinenser, die 1948 begann und bis heute andauert, dieses Elend, ein für allemal zu beenden.

56, ist palästinensischer Islamwissenschaftler und ehemaliger Direktor des Islamischen Forschungszentrums der Al-Quds-Universität. Er ist aktiv im interreligiösen Dialog und wohnt in Jerusalem.

Welche Rolle spielt der interreligiöse Dialog bei der Konfliktbewältigung?

Wenn sich der interreligiöse Dialog ausschließlich um die theologische Debatte dreht, die mit der Realität nichts zu tun hat, wird er nichts erreichen. Der Konflikt sollte auch von den religiösen Führern aufgegriffen werden, vorausgesetzt, sie haben eine klare moralische Botschaft, wenn es um die Unverletzbarkeit des Lebens geht.

Auch unter Besatzung sollten grundlegende Menschenrechte respektiert werden. Den Palästinensern werden diese Rechte verweigert. Ihre Ausweise werden konfisziert, ihr Land wird geraubt und ihre Häuser werden zerstört. Gleichzeitig breiten sich die Siedlungen immer weiter aus, und die Mauer, die die Bewegungsfreiheit einschränkt. All das addiert sich, wobei ich noch mal betone, dass es keine Rechtfertigung für Gewalt gegen Zivilisten gibt.

Juden, Christen und Muslime sollten sich sicher fühlen können, auch und vor allem an den Orten ihrer Gebete.

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