Kommentar Staatenlosigkeit: Alle gehören irgendwohin

Die UN-Flüchtlingskommission will die Staatenlosigkeit abschaffen. Das wird jedoch nur gehen, wenn Palästina als Staat anerkannt wird.

Palästinenser in Beirut: Die meisten sind staatenlos. Bild: dpa

Bis 2024 soll es auf dieser Welt keinen Menschen mehr ohne Staatsbürgerschaft geben. Dieses Ziel der am Dienstag in Genf gestarteten Kampagne „I belong“ des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) ist – im Unterschied zu vielen anderen Absichten der UN – nicht nur sehr konkret, sondern scheint auch realistisch. „Yes, we can“ möchte man da fast ausrufen.

Immerhin fast drei Viertel der UNO-Mitglieder haben mit der Ratifizierung der einschlägigen Konventionen ihren verbindlichen Willen zur Abschaffung der Staatenlosigkeit bekundet.

Und die ermutigenden konkreten Fortschritte der letzten fünf Jahre in Bangladesch, der Elfenbeinküste oder Kirgistan zeigen, dass einst als unumstößlich geltende Traditionsregeln wie das Verbot der Staatsbürgerschaftsweitergabe durch die Mutter ebenso überwunden werden können wie die Folgen des sowjetischen Staatszerfalls.

Dennoch wird sich das Problem der Staatenlosigkeit bis 2024 global nur überwinden lassen, wenn bis dahin ein palästinensischer Staat anerkannt ist und Syrien, der Irak oder andere Staaten in der nahöstlichen Konfliktregion nicht zerfallen sind.

Ohne einen Staat Palästina wird es kaum eine Staatsbürgerschaftsregelung für die seit 1948 entstandenen rund 5,1 Millionen Flüchtlinge geben. Die große Mehrheit von ihnen sind Staatenlose. Und ein Zerfall der Staaten in den Konfliktgebieten würde die Gesamtzahl der Flüchtlinge um ein Mehrfaches der bereits dramatischen Zahl von drei Millionen SyrerInnen erhöhen.

Diese Menschen würden in Flüchtlingslagern staatenlose Kinder auf die Welt bringen. Und keine Aussicht haben auf Rückkehr in einen Heimatstaat, dessen Staatsbürgerschaft sie einst hatten. Nicht auszuschließen, dass aus der „schlimmen Anomalie des 21. Jahrhunderts“ Normalität wird.

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Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

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