Bundeswehr in Afghanistan: McKinsey im Wüstenflecktarn

Die deutsche Armee will in Nordafghanistan nur noch als Berater auftreten. Kämpfende Einheiten sollen andere stellen, zum Beispiel Georgier.

Bundeswehrsoldaten bei einer Übung in Masar-i-Scharif im Dezember 2013. Bild: dpa

MASAR-I-SCHARIF taz | Wären da nicht die Uniformen im hellbeigen Wüstenflecktarn, man würde nicht unbedingt merken, dass man mitten im Kriegsgebiet gelandet ist.

Die tarnfarbenen „Dingos“, „Füchse“ oder „Marder“, jene gepanzerten Militärfahrzeuge, die das Bild des deutschen Afghanistaneinsatzes prägten, sind verschwunden. Stattdessen dominieren weiße Pick-ups des Typs Toyota Hilux das Straßenbild im letzten von der Bundeswehr betriebenen Camp bei Masar-i-Scharif.

Die Toyotas hat die Bundeswehr von lokalen Unternehmen gemietet. Sie dienen der Fortbewegung innerhalb des zweieinhalb mal eineinhalb Kilometer großen Lagers. Der eigene Fuhrpark wurde schon stark reduziert. Bei der Suche nach Ersatz haben die Planer ausgerechnet jenes Allrad-Fahrzeug gewählt, das Standardausrüstung aller Warlords der Welt ist. Auch die IS-Milizen nutzen den Hilux – mit Maschinengewehr auf der Ladefläche.

Hier in Afghanistan, dem ersten Schauplatz im „Krieg gegen den Terror“, geht es nicht mehr darum, ob sich die internationalen Truppen zurückziehen – sondern in welchem Tempo. Vor einem Jahr schon gab die Bundeswehr Kundus auf. Jetzt, dreizehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem darauffolgenden militärische Sturz des Taliban-Regimes, soll das Mandat für die damals eingesetzte Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe Isaf endgültig auslaufen.

Einsatz noch bis Ende 2015

Tatsächlich beendet wird der Einsatz damit nicht. Ab dem 1. Januar 2015 wird statt Isaf „RSM“ (Resolute Support Mission) auf den Uniformen der hier stationierten Soldaten stehen. Und die Bundeswehr wird noch bis Ende 2015 das Lager am Rande von Masar-i-Scharif betreiben. Danach soll die Nato-geführte Truppe noch für ein weiteres Jahr in der Hauptstadt Kabul bleiben.

Das einst von 3.000 Deutschen und noch einmal so vielen ausländischen Soldaten bewohnte Camp hat sich im vergangenen Jahr schon sichtbar geleert. Der Bereich im Zentrum, wo früher Norweger und Schweden ihre Unterkünfte hatten, ist ein Brache. Der Burger King und die Filiale der US-Kaffeekette Green Beans im amerikanischen Teil des Lagers wurden schon abgebaut.

Um die Containerkleinstadt samt autarker Wasserversorgung in Betrieb zu halten, setzt die Bundeswehr schon lange auch auf Outsourcing. Die „Feldküche“ genannte Großkantine wird von einer auf weltweite Militäreinsätze spezialisierten italienischen Firma betrieben. Ihre Angestellten kommen überwiegend aus Sri Lanka und sind länger hier im Einsatz als die Soldaten. Auch die Wäsche wird von einer externen Firma gewaschen. Und immer wieder werden auch Mitarbeiter deutscher Firmen für ein paar Wochen eingeflogen, um Anlagen aufzubauen, zu reparieren oder zu demontieren.

Das Camp als Selbstzweck

Für den Betrieb des Camps will die Bundeswehr künftig nur noch 600 statt aktuell 1.400 eigene Soldaten stellen. Mehr und mehr Aufgaben werden deshalb auch an solche Staaten übertragen, die es sich ohne Unterstützung durch die Nato kaum leisten könnten, Soldaten hierher zu entsenden. Der Zugang zum Camp wird von von der Bundeswehr ausgebildeten Mongolen überwacht, Armenier in deutschen Uniformen übernehmen Sicherungsaufgaben.

Abgesehen vom weiterhin in Afghanistan aktiven Kommando Spezialkräfte (KSK) sind die Angehörigen der Quick Reaction Force (QRF) die letzten deutschen Soldaten, die sich hier noch über weitere Strecken auf dem Landweg bewegen. Durch ihre Präsenz im weiteren Umfeld des Lagers soll Raketenbeschuss verhindert werden.

In dieser Einheit trifft man Soldaten, die schon in Kundus im Einsatz waren, dort täglich von Sprengfallen bedroht waren und teilweise in Gefechten standen. Man merkt ihnen an, dass sie den Rückzug hinter die Lagermauern mit Skepsis betrachten. Manche haben das Gefühl, das Camp sei zum Selbstzweck geworden, weil zu wenige deutsche Soldaten draußen unterwegs sind.

„Die afghanischen Sicherheitskräfte müssen nicht mehr bei Operationen begleitet werden“, hält Brigadegeneral Harald Gante dem entgegen. „Jetzt geht es darum, die Nachhaltigkeit zu sichern.“ Von einem Containerbüro mitten im Lager aus kommandiert Gante die internationalen Truppen in Nordafghanistan. Er ist der wichtigste deutsche Soldat im Land.

Sitzung statt Kampfeinsatz

Schon jetzt stehen Beratungen am grünen Tisch im Zentrum der Isaf-Aktivitäten vor Ort. Rund 50 Nato-Offiziere – darunter künftig nur noch acht Deutsche – werden jeden Morgen mit Hubschraubern in das nahe gelegene Camp der afghanischen Armee gebracht. Dort sind sie jeweils einem afghanischen Counterpart zugeordnet, nehmen an Sitzungen und Beratungen teil, geben organisatorische Tipps – und fliegen mittags zurück.

„Wie eine Unternehmensberatertätigkeit“ müsse man sich das vorstellen, erklärt der deutsche Kommandeur. Es gehe darum, „von außen die Prozesse innerhalb der afghanische Armee zu betrachten“, so Gante im Beraterduktus, „und gegenzusteuern, wo Defizite erkannt werden“.

Ein paar Offiziere, die sich auf dem sicheren Luftweg von einem deutschen in ein afghanisches Armeelager begeben – viel mehr wird nicht bleiben von dem Einsatz, der die Bundeswehr im letzten Jahrzehnt geprägt hat wie sonst nichts. Zeitweise waren mehr als 5.000 deutsche Soldaten gleichzeitig in Afghanistan. 55 starben am Hindukusch. Ausgerechnet hier, wo die Bundeswehr zur Kampfarmee wurde, will sie jetzt zu einer Art McKinsey im Flecktarn werden.

Denn bald soll mit der schnellen Eingreiftruppe QRF auch die letzte Einheit, die regelmäßig auf dem Landweg in größeren Gruppen das Camp verlässt, nicht mehr von der Bundeswehr gestellt werden. Geplant ist, so heißt es, die Deutschen durch Georgier zu ersetzten. Dazu sollen sie im bayerischen Hammelburg ausgebildet werden und ab dem Frühjahr 2015 in Masar-i-Scharif die „Dingos“ und „Füchse“ der deutschen Armee übernehmen. Gut möglich also, dass die Bundeswehr ab Frühjahr nur noch per Helikopter einfliegende Berater im Einsatz haben wird – aber keine eigenen Bodentruppen mehr.

Sollte sich die Lage in Masar-i-Scharif entgegen den derzeitigen Erwartungen doch noch mal dramatisch verschlechtern, wird die Bundeswehr von der Unterstützung der US-Truppen abhängig sein. Zumindest deren Präsenz im Norden Afghanistans scheint für das kommende Jahr gesichert. Weil die USA ihr Konsulat in Masar-i-Scharif weiterbetreiben wollen, werden sie auch Hubschrauber und Kräfte zur Evakuierung ihrer Beamten in der Nähe lassen.

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