Städte-Puzzle: Hamburg sagt dann tschüs

Verein „Mehr Demokratie“ will den Stadtstaat Hamburg in 23 Kommunen mit Parlamenten und direkt gewählten Bürgermeistern aufteilen. Volksentscheid angestrebt.

Künftig in verschiedenen Städten, wenn es nach "Mehr Demokratie" geht: Die Außenalster in der Stadt Eimsbüttel und die Elbphilharmonie in der Stadt Hamburg-Mitte. Bild: dpa

HAMBURG taz | Einen Stadtstaat in 23 Teilen will der Hamburger Verein „Mehr Demokratie“ durchsetzen. Die Einheitsgemeinde Hamburg soll aufgelöst und durch 23 weitgehend eigenständige Kommunen ersetzt werden. Eckpunkte dafür hat die Mitgliederversammlung des Vereins, der Volksbegehren und Bürgerentscheide in der Hansestadt erreichte, beschlossen. Ziel ist ein Volksentscheid im September 2017 am Tag der Bundestagswahl. „Wir wollen jetzt eine breite öffentliche Diskussion anstoßen“, sagt Manfred Brandt, Vorstandsmitglied von „Mehr Demokratie“.

Die künftigen Kommunen, für die „Mehr Demokratie“ einen ersten Vorschlag erarbeitet hat (siehe Kasten), sollen eigene Steuern erhalten und ein eigenes Haushaltsrecht, eigene Parlamente und vom Volk direkt gewählte Bürgermeister. Der Hamburger Senat und die Bürgerschaft würden wie in Flächenländern auf die übergeordneten staatlichen Aufgaben etwa im Bildungswesen und der Inneren Sicherheit beschränkt werden.

Hamburg und Berlin sind die einzigen deutschen Einheitsgemeinden, in denen staatliche und kommunale Aufgaben nicht getrennt werden. Das kleinste Bundesland Bremen hingegen besteht aus den zwei Städten Bremen und Bremerhaven, die weitreichende eigene Rechte haben. Diese Struktur will „Mehr Demokratie“ in Hamburg aber sehr viel kleinteiliger auslegen. Eine Eigenständigkeit etwa der jetzigen sieben Bezirke, die allesamt Großstädte wären, geht dem Verein nicht weit genug: Die größte wäre Wandsbek mit 409.000 Einwohnern, Bergedorf als kleinste wäre mit 123.000 immer noch größer als Göttingen oder Bremerhaven.

„Kommunale Aufgaben lassen sich auf Augenhöhe besser regeln“, begründet Manfred Brandt sein Hamburg-Puzzle. „Eine effiziente, bürgernahe und transparente Verwaltung bedingt kleine und überschaubare Einheiten.“ Die Gefahr einer Zersplitterung oder gegenseitigen Blockade der Kommunen etwa beim Bau von grenzüberschreitenden Radwegen oder der Aufnahme von Flüchtlingen sieht er nicht. Im Gegenteil gebe es in der jetzigen Struktur „oftmals unklare Zuständigkeiten und Doppelbefassungen“ zwischen den Hamburger Fachbehörden und den Bezirksämtern. Das sei überflüssiger Zeitaufwand und sorge zu oft für „praxisferne Entscheidungen“, findet Brandt.

Mitte: St. Pauli, Neustadt, Altstadt, St. Georg, Hamm, Hammerbrook, Borgfelde, Hafencity, Neuwerk

Billstedt: Horn, Billstedt, Billbrook

Veddel: Billwerder, Rothenburgsort, Veddel

Finkenwerder: Finkenwerder

Altona: Altona-Nord, Altstadt, Sternschanze, Bahrenfeld, Groß Flottbek, Othmarschen, Ottensen

Blankenese: Lurup, Osdorf, Nienstedten, Blankenese, Iserbrook, Sülldorf, Rissen

Eimsbüttel: Rotherbaum, Eimsbüttel, Hoheluft-West, Harvestehude

Lokstedt: Lokstedt, Niendorf, Schnelsen

Stellingen: Eidelstedt, Stellingen

Nord: Eppendorf, Hoheluft-Ost, Alsterdorf, Winterhude, Groß Borstel

Barmbek-Uhlenhorst: Uhlenhorst, Hohenfelde, Dulsberg, Barmbek

Fuhlsbüttel: Ohlsdorf, Fuhlsbüttel, Langenhorn

Wandsbek: Eilbek, Wandsbek, Marienthal, Jenfeld, Tonndorf, Farmsen-Berne

Bramfeld: Bramfeld, Steilshoop

Alstertal: Wellingsbüttel, Sasel, Poppenbüttel, Hummelsbüttel

Walddörfer: Lemsahl-Mellingstedt, Duvenstedt, Wohldorf-Ohlstedt, Bergstedt, Volksdorf

Rahlstedt: Rahlstedt

Bergedorf: Bergedorf, Lohbrügge

Vier- und Marschlande: Curslack, Altengamme, Neuengamme, Kirchwerder, Ochsenwerder, Reitbrook, Allermöhe, Neuallermöhe, Billwerder, Moorfleet, Tatenberg, Spadenland

Harburg: Harburg, Neuland, Gut Moor, Rönneburg, Langenbek, Wilstorf, Marmstorf, Heimfeld, Eißendorf

Wilhelmsburg: Wilhelmsburg

Süderelbe: Moorburg, Hausbruch, Neugraben-Fischbek, Francop, Neuenfelde

Hafennutzungsgebiet: Kleiner Grasbrook, Steinwerder, Waltershof, Altenwerder

„Mehr Demokratie“ will seinen Vorschlag noch in diesem Jahr auf Expertenanhörungen diskutieren. Während des Bürgerschaftswahlkampfes im Januar und Februar 2015 sollen dann in einer Volksinitiative mehr als 10.000 Unterschriften gesammelt werden. Ein Volksbegehren ist für den Herbst nächsten Jahres angedacht. Ein Volksentscheid über die notwendige Änderung der Landesverfassung sowie die Zahl und den Zuschnitt der neuen Kommunen könnte parallel zur Bundestagswahl voraussichtlich im September 2017 stattfinden.

Nach der Europa- und Bezirkswahl Ende Mai hatte „Mehr Demokratie“ seinen jetzt vorgelegten Vorschlag bereits angekündigt. In ersten Stellungnahmen äußerten sich seinerzeit die Parteien skeptisch bis ablehnend. „Das ist absurd“, befand CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich. Auch seine Amtskollegen Andreas Dressel (SPD) und Jens Kerstan (Grüne) sprachen von einer „richtig schlechten Idee“. Der Vorstoß würde „kein einziges Problem lösen und nur neue schaffen“, sagte FDP-Fraktionschefin Katja Suding. Und die Linke lehnte auf einem Parteitag im Juni den Antrag, die Einheitsgemeinde abzuschaffen, ab.

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