Leipziger Enthauptungs-Schauspiel: „Islamisten“ wohl tatsächlich Nazis

Nach der Enthauptungs-Performance in der Leipziger Innenstadt deuten Indizien darauf hin, dass nicht Salafisten verantwortlich waren – sondern Neonazis.

Neonazis bei Aufmarsch in Leipzig. Bild: dpa

DRESDEN taz | Die kurze Szene einer „Scharia-Polizei“ am Dienstagnachmittag in der Leipziger Innenstadt sorgt für anhaltende Verwirrung. Eine kleine Gruppe schwarz gekleideter und vermummter Männer stellte offensichtlich eine Hinrichtung nach, wie sie von der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ praktiziert wird. Ein Augenzeuge informierte die Polizei darüber, dass ein am Boden liegender und mit Kunstblut übergossener Teilnehmer einen Getöteten simulierte, während ein anderer über ihm „eine Art Machete“ schwang, wie es im Polizeibericht heißt. Ein Akteur habe eine orangefarbene Warnweste mit der Aufschrift „Scharia-Polizei“ getragen.

Nach dieser kurzen Aktion verließ die Gruppe den zentralen Marktplatz, bevor die Polizei eintraf. Auch nach dem öffentlichen Aufruf der Polizeidirektion Leipzig gingen nur „ganz wenige Hinweise“ von Zeugen ein, bestätigte Sprecher Uwe Voigt. Das Schauspiel sei sehr schnell abgelaufen, auch auf dem belebten Platz hätten es nur wenige Passanten wahrgenommen. Deshalb wisse man noch nicht, welchen Inhalt die Plakate und die wenigen verteilten Flyer hatten. Man ermittle in alle Richtungen. Verwertbare Beweismittel fehlten allerdings noch, sagte der Sprecher am Donnerstag.

Indizien deuten darauf hin, dass keine Salafisten wie vor drei Wochen in Wuppertal hinter der Aktion einer angeblichen Scharia-Polizei steckten. Kurz nach der Provokation tauchte ein Foto davon auf der Facebook-Seite der „Jungen Nationaldemokraten Leipzig“ auf. Darauf zeigen Vermummte ein Banner mit arabischen Schriftzeichen. Diese Inschrift ergibt jedoch nach Recherchen des Focus keinen Sinn und stammt keinesfalls aus arabischer Quelle. Das Foto stammt aus einem Kurzvideo, das mit einem Handy aufgenommen wurde und der Polizei inzwischen offenbar vorliegt.

Beobachter der Rechten Szene haben kaum Zweifel an der Urheberschaft der JN. Vorbild der Aktion seien nicht etwa die Verhaltenskontrollen einer Scharia-Polizei wie in Wuppertal. Die Leipziger Inszenierung habe vielmehr einen Vorläufer in Wien, hinter dem die aus Frankreich stammende nationalistische „Identitäre Bewegung“ stand. Die JN knüpfe sehr stark an Ideen und Verhaltensmuster der Identitären an. Auch im Landtagswahlkampf hatte die NPD mit spektakulären Blitzaktionen auf sich aufmerksam machen wollen. Mit einem starken Beamer wurden beispielsweise nachts Inschriften an bekannte öffentliche Gebäude wie die Frauenkirche projiziert.

Die Leipziger simulierte Hinrichtung passt außerdem zu einer laufenden Aktionswoche der JN gegen angebliche Islamisierung. Am Sonnabend soll sie in Döbeln mit einer Kundgebung abgeschlossen werden, zu der etwa 400 Teilnehmer und Redner auch aus dem Ausland erwartet werden. Die Polizei prüft inzwischen die strafrechtliche Relevanz des Leipziger Auftritts. Die öffentliche Darstellung einer Hinrichtung in dieser Form kann als Stimulans zur Tötung von Menschen gewertet und verfolgt werden.

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