Doku-Serie „Landschwärmer“: Verspielt in der Uckermark

Ruhe, Idylle, Einsamkeit – viele Städter träumen vom Häuschen in der Provinz. Eine Dokureihe sucht den komischen Moment.

War schon immer auf dem Land und bleibt auch da – im Gegensatz zu den Städtern. Bild: WDR

Städter sehnen sich nach dem Land. Denn das Land verspricht, was die Stadt nicht hat: Ruhe, Weite, unaufgeregte Echtheit. Was passiert, wenn Sehnsucht und reales Land aufeinandertreffen, zeigt die sechsteilige Dokureihe „Landschwärmer“.

Die Protagonisten sind meist zwischen dreißig und vierzig, Filmproduzenten, Schauspielerinnen, Jugendbuchautoren. Sie haben Häuser in der Uckermark, im Norden von Berlin, einer Gegend leer wie Sibirien und hügelig wie die Toskana. Sie versuchen mit ihren Kindern zu angeln oder Roggen und Gerste auseinanderzuhalten.

Sie sitzen in Ikea-Küchen und sinnieren, ob es eigentlich schlimm ist, ein Hipster zu sein. Sie reden viel. Das gelingt ihnen entschieden besser, als etwas praktisch zu tun. Die Angel verheddert sich, Mücken stechen, der eigenhändig gewebte Schal kratzt.

„Landschwärmer“, von Lola Randl stilsicher inszeniert, ist ästhetisch erfreulich anders als die übliche Dokufeatures. Kein dramatisierender Soundteppich, der uns Gefühle abpresst, sondern lässige, unaufgeregte Gitarrenriffs im Hintergrund. Es gibt keinen Off-Kommentar, dafür kurze comichafte Zeichnungen, mal mit Kochrezepten, mal mit blitzlichthaften Kommentaren zu den Figuren.

Sechsteilige Doku-Serie, mittwochs, 20.15 Uhr, Einsfestival

In der dritten Folge (Mittwoch, 24. Oktober) will der Mittvierziger Andreas, in der Filmbranche tätig, ein Huhn kochen. Das wird bei einem Uckermärker Einheimischen mit Garten gekauft. Der lockt ein Huhn an, greift zum Beil, das Huhn kreischt, das Beil saust, der Kopf ist ab, das Resthuhn zappelt. Rote Spritzer auf weißen Federn. Man sieht dies halb verdeckt von einem Zaun. Dann wird das Huhn gerupft. Tiere zu töten gehört zum Land wie die Straßenbahn zur Stadt. Es wäre Kitsch, es nicht zu zeigen.

Salzhuhn à la Bocuse

„Ich verstehe Vegetarier“, sagt Andreas später in der Küche, während er einen Hühnerflügel mit einer Zange abknipst. Das Kind schaut auf die Innereien und schreit: „Ekelig.“ Er versucht Salzhuhn à la Bocuse zu kochen, am Ende gibt es keine Salzkruste, aber ein versalzenes Huhn.

Die Städter sind nett, entspannt und sehr unpraktisch. Sie bewegen sich in drei Grundmodi: vor, während und nach dem Scheitern. Aber das macht nichts. Der Versuch zählt mehr als das Ergebnis.

Man kocht viel, isst im Garten und bekommt Besuch aus der Stadt. Die Trickfilmerin Britt etwa, die, was sonst, davon träumt, hier ein Haus zu haben. Leider zu teuer, stellt sie resigniert fest. Andererseits ist es möglicherweise schöner, Häuser, die man sich nicht leisten kann, bei Immoscout anzuschauen, als in realen Hühnern herumzupulen. Vielleicht ist der Traum der Städter vom Landleben so beschaffen, dass sich die Wirklichkeit davor nur blamieren kann.

Randl beobachtete das meist von Vergeblichkeit gekennzeichnete Treiben ihrer Figuren mit freundlicher, wohltemperierter Ironie. So entgeht „Landschwärmer“ der Gefahr, das Landleben allzu idyllisch oder niedlich zu zeigen. Die Grenze aber ist der Blickwinkel der Städter. Die Einheimischen, bei denen Salat, Hühner, Anglerbedarf gekauft werden, bleiben eher schattenhaft.

Sehen sie die jungen Städter als Retter in einer sich entvölkernden Gegend? Als Ahnungslose, denen man noch nicht mal zu sagen braucht, wie albern es ist, sich Schals zu weben? Oder als sanfte Imperialisten, die die Uckermark mit Cappuccino, Kindern, Kunstprojekten in einen Außenbezirk des Prenzlauer Bergs verwandeln werden?

Wir erfahren es nicht. „Landschwärmer“ will Impression, das Verspielte, den komischen Moment, nicht Analyse.

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