Überstunden in Deutschland: Vollzeit plus X

Tariflich vereinbart müssen deutsche Arbeitnehmer 37,5 Stunden wöchentlich arbeiten, tatsächlich kommen sie aber auf 40,5. Die Differenz ist die höchste in der Eurozone.

Draußen wird es dunkel, doch im Büro brennt noch Licht. Bild: dpa

BERLIN afp/dpa | In keinem anderen Land der Eurozone ist der Unterschied zwischen der tariflich vereinbarten Wochenarbeitszeit und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit so hoch wie in Deutschland. Das sagte EU-Sozialkommissar Lázló Andor der Welt vom Montag und berief sich dabei auf Zahlen für das Jahr 2012. Demnach betrug die tariflich vereinbarte Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte 37,7 Stunden, die tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit im Schnitt aber 40,5 Stunden. Vergütet wird einer aktuellen Untersuchung zufolge nicht einmal die Hälfte der Überstunden.

Andor verwies auf eine Aufstellung der EU-Kommission vom Sommer 2013. Demnach steht Deutschland bei der Zahl der tariflich vereinbarten Wochenarbeitszeit mit 37,7 Stunden im Durchschnitt der Eurozone. Am kürzesten müssen demnach Vollzeitbeschäftigte mit Tarifvertrag in Frankreich mit 35,6 Stunden pro Woche arbeiten, am längsten die in Griechenland und Malta mit 40 Stunden.

Bei den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden steht Deutschland mit 40,5 Stunden dagegen weit über dem Eurozonen-Durchschnitt von 39,4 Stunden. Länger ist der Statistik zufolge nur die tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit in Großbritannien, Luxemburg und Rumänien.

Der Unterschied zwischen beiden Werten ist innerhalb der EU in Großbritannien am größten, in der Eurozone führt Deutschland. Aber auch in Frankreich, den Niederlanden, Tschechien und in Zypern beträgt dieser Unterschied zwischen zwei und drei Stunden. Gezählt werden dabei alle Arbeitsstunden, auch die von Beschäftigten ohne Tarifvertrag.

Bezahlt wird nicht

Im Schnitt wird Beschäftigten in Deutschland weniger als die Hälfte ihrer Überstunden bezahlt. Das geht aus einer Studie hervor, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg vergangene Woche vorgestellt hat. So habe jeder der gut 38 Millionen Erwerbstätigen im zweiten Quartal durchschnittlich 11,9 Überstunden geleistet; davon hätten die Unternehmen im Mittel aber nur 5 bezahlt oder mit Freizeit abgegolten.

Grüne und Linke kritisierten die Mehrarbeit. „Eine große Zahl von Überstunden führt unvermeidlich zu Stress und zur Überforderung der Beschäftigten“, erklärte die Grünen-Sprecherin für Arbeitnehmerrechte, Beate Müller-Gemmeke. „Das ist nicht akzeptabel, denn das macht die Menschen krank. Die tarifliche Arbeitszeit muss eingehalten werden.“

Ähnlich äußerte sich Linken-Vorsitzende Katja Kipping: „Überstunden, selbst wenn sie bezahlt werden, machen krank und blockieren den Kampf gegen die Erwerbslosigkeit – sie sind nicht Ausweis unserer Leistungsfähigkeit, sondern der Beweis zu niedriger Löhne und eines falschen Leistungsdrucks. Überstunden sind ein großes gesellschaftliches Problem und nicht sexy.“

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