Asylbewerber in Berlin: Türen zu, Problem vertagt

Vor der Erstaufnahmestelle für Asylbewerber, die der Sozialsenator bis Montag geschlossen hat, drängen sich Flüchtlinge. Die Verwaltung plant derweil Containerdörfer.

Lageso-Chef Franz Allert, Sozialsenator Mario Czaja und im Fokus der Mensch. Bild: DPA

Der Mann vom Sicherheitsdienst ist ziemlich gestresst: Er versucht, gleichzeitig die Vorladung zu prüfen, die ihm zwei Männer hinhalten, einem dritten zu verstehen zu geben, dass er seinen wütenden Redeschwall auf Arabisch nicht versteht, sowie einer Frau auf Türkisch zu erklären, dass sie umsonst gekommen ist.

Hitzig geht es her am Donnerstag vor der Tür der Zentralen Erstaufnahmestelle für Asylbewerber (ZAA) in der Moabiter Turmstraße. Denn der Sicherheitsmann hat eine klare Anweisung: „Ich muss alle wegschicken, die keinen Termin haben, so wurde es mir von oben gesagt“, sagt er.

Das ist nicht einfach, auch wenn er sich wirklich Mühe gibt: Viele verstehen nicht, was hier los ist, schließlich wurden sie doch von anderen Stellen genau hierher geschickt – und nun sollen sie wieder weg und vor Montag nicht wiederkommen? „Niemand sagt uns, was wir stattdessen machen sollen“, sagt einer der Wartenden. Etwa fünfzig Menschen habe er bereits wegschicken müssen, sagt der Sicherheitsmann, ungefähr doppelt so viele warten um die Mittagszeit rund ums Gebäude.

Nur noch Gutscheine

Tatsächlich führt die Security nur aus, was andere entschieden haben. Die ZAA bleibe bis mindestens Montag geschlossen, hatte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Mittwoch auf einer Pressekonferenz verkündet. Der Grund: Die Mitarbeiter des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso), zu dem die Aufnahmestelle gehört, seien mit dem stetig wachsenden Andrang überfordert. Außerdem gebe es in Berlin zu wenig Unterkunftsmöglichkeiten, es müssten dringend neue Plätze geschaffen werden.

Bereits im vergangenen Monat wurden in der ZAA keine Unterkunftsplätze mehr direkt vermittelt, sondern den AsylbewerberInnen Gutscheine für Hostelbetten in die Hand gedrückt – damit tatsächlich einen Platz zu bekommen, ist jedoch schwierig. In der Zentralen Aufnahmestelle in der Spandauer Motardstraße sollen Menschen nach taz-Informationen behelfsmäßig auf den Fluren untergebracht werden.

An den Türen der ZAA in der Turmstraße hängen am Donnerstag handgeschriebene Zettel in mehreren Sprachen, die über die vorübergehende Schließung informieren. Wer zur Erstaufnahme kommt, also keinen Termin hat, muss sofort wieder gehen. Menschen mit Termin werden in einem Container beraten, der neben dem geschlossenen Hauptgebäude aufgestelllt ist. Eine Familie mit drei Kleinkindern erzählt, sie warte hier bereits seit sieben Uhr morgens.

In der Senatsverwaltung für Soziales läuft derweil die Suche nach weiteren Unterkünften. Neues dazu gibt es laut Sprecherin Constance Frey bisher nicht. „Im Moment werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass ab November die ersten mobilen Wohneinheiten bezugsfertig sind“, sagt Frey. Wo diese Containerdörfer, in denen bis zu 2.000 Menschen unterkommen sollen, aufgestellt werden, ist bisher nicht bekannt. Momentan wohnen in Berlin laut Senatsverwaltung rund 10.000 Flüchtlinge in insgesamt 39 Gemeinschaftsunterkünften, weitere 9.000 AsylbewerberInnen sind in Wohnungen untergebracht.

Bisher war man in Berlin stolz darauf, ohne Massenunterkünfte auszukommen. Nun ist die Senatsverwaltung auf der Suche nach Gewerberäumen zur Kurzzeit-Unterbringung von AsylbewerberInnen. Manfred Nowak von der AWO Mitte, die selbst acht Asylbewerberunterkünfte in der Stadt betreibt, kritisiert diese Entscheidung: „Wir raten dringend davon ab, Großquartiere zu schaffen, im Gegenteil, wir versuchen zu dezentralisieren“.

Die kirchlichen Einrichtungen, auf die Czaja hinsichtlich der Flüchtlingsunterbringung verwiesen hatte, kritisierten die Schließung der ZAA. „Ohne jede Vorwarnzeit an karitative Einrichtungen zu verweisen, ist sehr problematisch, da außerhalb der Winterzeit viele Unterbringungen räumlich und personell nicht von jetzt auf gleich verfügbar sind“, sagte Diakonievorstand Martin Matz. Auch Caritas-Direktorin Ulrike Kostka bezeichnete die Schließung der ZAA als „sehr problematisch“.

Problematischer Tipp

An der ZAA in Moabit kommen weiter neue Menschen an, die Information über die Schließung hat sich offenbar noch nicht sehr verbreitet. Die Pförtnerin rät Ankommenden, stattdessen in die Perleberger Straße zu gehen – auf der dortigen Polizeiwache können ebenfalls Asylanträge gestellt werden. Allerdings macht die Polizei nicht nur das: Anders als bei der ZAA wird hier im Regelfall gegen jeden auf dem Landweg eigereisten Asylbegehrenden auch sogleich ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Einreise eingeleitet

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