Protest der Oranienplatz-Bewegung: Flüchtling erringt Teilsieg vor Gericht

Polizei dreht Flüchtlingen auf dem Dach eines Hostels Strom und Wasser ab. Unterdessen gibt das Sozialgericht einem Mann Recht: Berlin muss ihn weiter unterstützen.

Einer der Flüchtlinge, der am Dienstag seine Unterkunft in Berlin verlassen musste. Bild: dpa

Am Tag Drei der Besetzung spitzt sich die Lage für die Flüchtlinge auf dem Dach eines Hostels zu. „Wir sind seit mehr als 24 Stunden ohne Wasser und Essen“, sagte Mohamed S. aus Niger am Donnerstagnachmittag der taz. Die Polizei bestätigte, den Männern in der Friedrichshainer Gürtelstraße, die sich seit Dienstag in einem Zimmer mit Teeküche und Dachzugang verschanzen, am Mittwochnachmittag Strom und Wasser abgedreht zu haben. Zudem haben die acht bis zehn Männer entgegen ihrer Aussagen vom Vortag offenbar doch keine Nahrungsmittel. Weiterhin verweigert die Polizei auch den Zugang von Anwälten, mit denen sich die Flüchtlinge beraten wollen. Ein Dachbesetzer reichte deswegen am Donnerstagvormittag einen Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht ein. Das Gericht werde darüber „zeitnah“ entscheiden, so ein Sprecher.

Die seit Tagen geforderten Medikamente hat der an Tuberkulose erkrankte Mohamed S. am Donnerstagmorgen dagegen bekommen. Allerdings sei dies nur die Dosis für einen Tag gewesen, klagt er. „Sind das eure Menschenrechte? Niemand in Deutschland würde einen Hund oder eine Katze einen Tag ohne Wasser lassen!“

Auch Caritas und Diakonie protestierten am Donnerstag, dass die Polizei den Protestlern Wasser verweigere. „So darf man mit verzweifelten Menschen nicht umgehen“, sagte Caritasdirektorin Ulrike Kostka. Caritas und Diakonie hätten die Vereinbarung mit dem Senat zur Beratung der Flüchtlinge immer so aufgefasst, dass eine Einzelfallprüfung der individuellen Schicksale in Berlin erfolgen soll. Die Ausländerbehörde habe aber lediglich eine formale Prüfung der Zuständigkeit vorgenommen und auf dieser Grundlage die Flüchtlinge kurzfristig auf die Straße gesetzt. „Das lehnen wir ab“, sagten Caritasdirektorin Ulrike Kostka und Diakonievorstand Martin Matz.

In einer über Facebook von der Gruppe „Lampedusa Berlin“ veröffentlichten Erklärung verlangen die Besetzer eine erneute Prüfung ihrer Verfahren, weil dies bislang nicht ausreichend geschehen sei. Zudem müsse das Land für ihre „Grundversorgung, einschließlich Unterbringung“ und Krankenversorgung aufkommen. Sie klagen, dass entgegen der Zusagen von Senatorin Dilek Kolat, es bislang in keinem Fall eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gibt und kein Fall nach Berlin geholt wurde. „Ihr habt uns betrogen“, schreiben sie.

Grund für den Protest der Männer ist, dass das Land Berlin ihnen seit Dienstag Unterkunft und Geldleistungen verweigert, weil nach Auffassung des Landes ihre Verfahren abgeschlossen sind. Dies betrifft 108 von mehr als 500 Flüchtlinge, die dem Oranienplatz-Abkommen mit dem Senat beigetreten sind. Die meisten Betroffenen hatten daraufhin ihre Heime in Spandau und Neukölln verlassen. Wegen der Dachbesetzung in der Friedrichshainer Unterkunft hält die Polizei seit Dienstagmittag die Gürtelstraße gesperrt. Man sei in Gesprächen mit den Männern, so ein Polizeisprecher.

Unterdessen hat einer der Flüchtlinge, der gegen die Einstellung der Leistungen Klage eingereicht hat, vor dem Sozialgericht einen Teilsieg errungen. Laut Gerichtsbeschluss vom Donnerstag, der der taz vorliegt, muss das Land, genauer das Sozialamt des Bezirks Mitte, dem Mann aus Benin weiterhin Leistungen zahlen – wenn auch nur eingeschränkt, weil er „vollziehbar ausreisepflichtig“ sei, wie der Pressesprecher des Gerichts, Marcus Howe, erklärt. Laut Beschluss stehen dem Mann, der in Deutschland bislang kein Asyl beantragt und eine italienische Aufenthaltserlaubnis hat, ab 1. September monatlich 276 Euro plus Unterkunft zu. Regulär bekommen Asylbewerber 371 Euro plus Unterkunft. Weitere 18 Klagen von Oranienplatz-Leuten sind noch nicht entschieden.

Für Rechtsanwältin Berenice Böhlo zeigt der Gerichtsbeschluss, „dass die Argumentation der Innenverwaltung, für die Flüchtlinge des Oranienplatzes in keinem Fall rechtlich zuständig zu sein, falsch ist“. Im Gegenteil sei das Land, wenigstens in diesem Fall, sehr wohl zuständig.

Böhlo kritisiert die Einstellung der Leistungen für die 108 Betroffenen auch aus einem anderen Grund. So habe der Senat beschlossen, den Oranienplatz-Flüchtlingen „bis zum Abschluss der aufenthaltsrechtlichen Prüfung“ Geld und Unterkunft zu gewähren. Dieser Vorgang sei auch nach einem negativen Bescheid der Ausländerbehörde noch nicht abgeschlossen, da die Betroffenen gegen die Entscheidung klagen könnten, erklärte sie. „Wir sind ja schließlich ein Rechtsstaat.“ Böhlo kündigte an, in Kürze solche Klagen vor dem Verwaltungsgericht einzureichen. Zumindest bis darüber entschieden sei, müsse das Land die Männer weiter versorgen.

Die Pressestelle der zuständigen Senatsverwaltung für Inneres sagt dazu: "Alle Personen, die einen ablehnenden Bescheid der Ausländerbehörde erhalten haben, könnten gegen diesen Rechtsmittel einlegen. Allerdings sind auch Fälle unter den 'eingestellten', die trotz mehrfacher Aufforderung der Ausländerbehörde nicht erschienen sind. Diese haben keinen Bescheid erhalten und können auch keine Rechtsmittel mehr einlegen."

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