Wer zahlen kann, lernt mehr: Schulwahl mit der Brieftasche

Ein Bildungshaus für Diplomatenkinder habe sich zur beliebten Schule für Kinder begüterter Familien entwickelt, kritisiert die Hamburger Linkspartei. Senat und Schulleiter bestreiten das.

Hat ihren Preis: die englischsprachige Schullaufbahn an der Internationalen Schule in Hamburg-Osdorf. Bild: dpa

HAMBURG taz | Es gibt sie schon seit über 50 Jahren, und seit 1966 wird sie von der Stadt Hamburg gefördert: Die Internationale Schule Hamburg (ISH) mit Sitz im Elbvorort Osdorf, an der alle Englisch sprechen und Kinder lernen, die mit ihren Eltern nur vorübergehend im Lande sind. Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn nahm sie jetzt aufs Korn und stellte eine Anfrage in der Hamburger Bürgerschaft. Ihr Fazit: Die ISH habe sich zu einer beliebten Schule für Kinder begüterter Hamburger entwickelt. Das Schulgeld sei mit bis zu 19.230 Euro im Jahr so hoch, dass es gegen das „Sonderungsverbot“ verstoße.

Solche Summen seien nur zu rechtfertigen, wenn die Schule eine Gruppe anspreche, für die es im staatlichen Bildungssystem kein Angebot gibt, wie Diplomatenfamilien, die meist nach drei Jahren weiterziehen, meint Heyenn. Doch ihre Anfrage ergab: Etwa ein Drittel der 728 Schüler hat einen deutschen Pass und circa 40 Prozent leben länger als fünf Jahre hier.

Artikel 7 des Grundgesetzes erlaubt Privatschulen nur, „wenn eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“. Aber dies gilt nur für Privatschulen vom Typ „Ersatzschule“, deren Kosten zu bis zu 80 Prozent der Staat trägt. In Hamburg dürfen Ersatzschulen nicht mehr als 200 Euro Schulgeld im Monat nehmen.

Die Internationale Schule dagegen ist eine „Ergänzungsschule“, die nicht dem Sonderungsverbot unterliegt. „Allerdings kann ein deutsches Kind an so einer Schule nur in Ausnahmefällen die Schulpflicht erfüllen“, sagt der Bildungsforscher Manfred Weiß, der 2011 eine Privatschul-Studie gemacht hat. 30 Prozent Deutsche erscheinen ihm viel. „Da sollte die Schulaufsicht schon einmal etwas genauer hinsehen“, sagt Weiß. Sonst führe dies zu einer „faktischen Sonderung der Schüler“.

Die Internationale Schule Hamburg (ISH) ist eine englischsprachige Schule in Trägerschaft eines Vereins. Sie reicht vom Kindergarten bis zur zwölften Klasse.

Im Schuljahr 2013/14 besuchten 728 Schüler die Schule, darunter 226 deutsche Staatsbürger.

Die Fluktuation beträgt zu Beginn eines Schuljahrs etwa 130 bis 140 Schüler, auch während des Jahres wechseln 40 bis 50.

Das Schulgeld ist gestaffelt nach Jahrgangsstufen und nach Einkommen. Der Höchstsatz beginnt in der Primary 1 mit 9.870 Euro und endet für die Grades 11 und 12 bei 19.230 Euro im Jahr.

Bis zu 25 Prozent Kinder aus einkommensschwächeren Familien nimmt die Schule seit 2008 auf. Den prognostizierten Ausfall ersetzt die Stadt. Dies nehmen bisher knapp acht Prozent in Anspruch.

Freiplätze bietet die ISH laut Schulleitung ab dem laufenden Schuljahr 2014/15 an.

Bundesweit gibt es 25 Internationale Schulen, überwiegend als Ergänzungsschulen.

Heyenn regt auf, dass die Schulbehörde die Gründe gar nicht im Einzelfall prüft. Die Abgeordnete will nun in der Bürgerschaft einen Antrag stellen, die staatliche Subventionen von derzeit circa 1,8 Millionen Euro zu streichen. Auch müsse schärfer kontrolliert werden, wer auf die Schule geht.

„Auch bei uns erfüllen Kinder ihre Schulpflicht“, entgegnet Schulleiter Andreas Swoboda. Heyenn gehe von falschen Annahmen aus. Zwar hätten etwa 30 Prozent die deutsche Staatsangehörigkeit, aber diese Schüler seien zum überwiegenden Teil mehrere Jahre im Ausland gewesen. „Die zweite Gruppe sind Schüler, die in nächster Zukunft ins Ausland gehen und die ISH als Sprungbrett für eine Auslandsschullaufbahn sehen.“

Er könne nicht ausschließen, dass es auch dauerhaft in Hamburg lebende Schüler gibt. Doch die ISH vergebe kein Abitur sondern ein International Baccalaureate Diploma (IB), das deutsche Unis bislang nicht als Äquivalent zum Abitur anerkennen würden. Swoboda: „Eltern, deren Kinder auf jeden Fall in Deutschland studieren wollen, sind derzeit noch gut beraten, sie das Abitur machen zu lassen.“

Die Schulbehörde teilt Swobodas Einschätzung, dass die überwiegende Zahl der Schüler nicht dauerhaft hier lebt. Das Bildungsangebot der ISH sei „für den Wirtschaftsstandort einer Metropolregion unverzichtbar“, sagt Sprecher Peter Albrecht. „Einen Verstoß gegen das Sonderungsverbot sehen wir nicht.“ Gäbe es die ISH nicht, so müsste die Stadt für die über 700 Schüler Schulplätze bereitstellen, merkt Schulleiter Swoboda an. „Wir sparen der Stadt Millionen.“

„Nach der Logik müsste man noch fünf, sechs ISHs schaffen“, hält Heyenn dagegen. Es ginge hier nicht ums Sparen, sondern um „Bildungsgerechtigkeit“.

Tatsächlich wird gerade eine weitere Schule vor den Toren der Stadt geplant. In Halstenbek soll in 2016 eine International School „neuen Typs“ entstehen, wie Mitgründerin Marie-Luise Stoll-Steffan erklärt. Hier soll es zum Konzept gehören, dass Kinder aus dem Ausland mit deutschen Kindern zusammen lernen. „So vermeidet man, dass diese in einer Insel leben“, sagt Stoll-Steffan. Sie habe bereits in Frankfurt eine solche Schule gegründet, auf die etwa 40 Prozent Deutsche gehen.

Diese deutschen Schüler sollen in Halstenbek auch muttersprachlichen Unterricht bekommen und die Schule mit dem Abitur abschließen können. Für diesen Zweig will Stoll-Steffan langfristig einen Antrag auf Anerkennung als „Ersatzschule“ stellen, sodass staatliche Mittel fließen. „Aber wir bauen nicht darauf.“

Zunächst muss sich die Schule über Schulgeld finanzieren. Das wird bei etwa 1.000 Euro im Monat liegen. Bedarf gebe es, da ist sich Stoll-Steffan sicher. „Wir haben eine Marktstudie für den Großraum Hamburg gemacht. Viele Familien sagen, es wäre schön, wenn es das gibt.“

„Ein solcher Antrag würde hier in allen Punkten geprüft“, sagt Thomas Schunck, Sprecher im Kieler Bildungsministerium, „Vorfestlegungen gibt es nicht.“

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