Oranienplatz-Flüchtlinge: Senat lässt den Deal platzen

Nicht von den Flüchtlingen, sondern von der Politik würden Abmachungen gebrochen, sagen Anwälte und Berater. Kein Fall wurde bislang anerkannt.

Davon kann keine Rede mehr sein, zumindest wenn es nach Senator Henkel geht. Bild: dpa

Anwälte und Flüchtlingsberater sind entsetzt über die jüngsten Äußerungen von Innensenator Frank Henkel (CDU) und Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) zu den Oranienplatz-Flüchtlingen. „Es ist eine Tatsachenverdrehung von Henkel, zu behaupten, die Flüchtlinge würden sich nicht an das Abkommen mit dem Senat halten. Der Senat hält sich nicht daran“, sagte Martina Mauer vom Berliner Flüchtlingsrat. Rechtsanwältin Berenice Böhlo erklärte, Kolats Loblied auf das Oranienplatz-Verfahren sei „infam“. „Das ist ein Nichtverfahren. Egal was wir beantragen, alles wird abgelehnt.“

Am Dienstag hatte Senatorin Kolat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa erklärt, bei bereits abgelehnten Asylbewerbern oder Italien-Flüchtlingen sei es „zumeist sinnlos“, noch einmal Asyl zu beantragen. „Wir ermutigen die Flüchtlinge, hier einen Antrag auf humanitären Aufenthalt zu stellen.“ Diesbezüglich hätten viele Anwälte wohl falsch beraten. Für Böhlo zeugt das von frappierender Unkenntnis: „Es geht die ganze Zeit um humanitären Aufenthalt!“

Senator Henkel hatte sich am Dienstag via dpa beschwert, nur rund Zweidrittel der Oranienplatz-Leute erschienen zu Terminen bei der Ausländerbehörde. Diese soll laut dem Abkommen, das Senat und Flüchtlinge im März geschlossen haben, eine „umfassende Einzelfallprüfung“ vornehmen.

Allerdings gibt es bislang keinen einzigen Oranienplatz-Flüchtling, der dadurch eine Aufenthaltserlaubnis oder wenigstens eine Umverteilung seines Falls nach Berlin erreicht hätte, erklären Böhlo und Mauer. Sogar Schwersttraumatisierte würden abgelehnt. „Im Gegenteil kann es den Flüchtlingen zum Nachteil gereichen, wenn sie ihren Termin wahrnehmen“, erklärt Mauer. Viele bekämen beim ersten Termin eine schriftliche Absichtserklärung, dass der Antrag voraussichtlich abgelehnt werde. „Sie haben dann nur eine Woche Zeit, seit Kurzem zwei Wochen, um weitere Gründe für einen Aufenthalt vorzulegen“, erklärt Mauer. All dies spreche sich unter den Flüchtlingen natürlich herum – und viele hätten Angst, zur Ausländerbehörde zu gehen.

Ali M. aus Niger bestätigt das. Er selbst ist auf Rat seiner Anwältin nicht zum Termin erschienen, sagt er. „Sie geht für mich dorthin.“ Er wisse von einigen, die keinen Anwalt haben und jetzt großen Ärger befürchten, weil sie den Termin haben verstreichen lassen.

Evi Gülzow, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Stadtmitte, das mit der Caritas die Oranienplatz-Leute berät, beklagt, die Einladungen seien zu kurzfristig gewesen – in der Regel am Freitag für den kommenden Mittwoch. In dieser Zeit sei es für die BeraterInnen unmöglich, die Anhörung vorzubereiten. „Wir haben daher für viele Flüchtlinge bei der Ausländerbehörde um Fristverlängerung gebeten. Aber das wurde in keinem Fall akzeptiert“, so Gülzow. Dass die Frist jetzt doch um eine Woche verlängert wurde, helfe wenig: „Unsere Fälle sind alle durch – und wer zweimal nicht erschienen ist, gilt jetzt als negativ abgeschlossen“, befürchtet sie.

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