Landesministerin über Rüstung und Unis: „Militärforschung schwer abgrenzbar“

Niedersachsens Wissenschaftsministerin hat keine generellen Einwände gegen militärische Forschung an Universitäten. Aber sie muss transparent sein.

Wieviel universitäre Rüstungsforschung steckt in diesem Leopard-2-Panzer? Bild: dpa

taz: Frau Heinen-Kljajic, was halten Sie davon, dass immer mehr Militärforschung an zivilen Einrichtungen betrieben wird?

Gabriele Heinen-Kljajic: Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn zum Beispiel das Verteidigungsministerium Mittel zu Forschungszwecken an Hochschulen vergibt. Die Projekte dürfen aber nicht der militärischen Geheimhaltung unterliegen. Jede öffentlich finanzierte Hochschule sollte transparent machen können, wer in wessen Auftrag und mit welcher Fragestellung forscht. Dass das bislang nicht immer gemacht wurde, finde ich in der Tat schwierig.

Sie kritisieren also nur die fehlende Transparenz an Hochschulen, nicht Rüstungsforschung per se?

Wenn wir auf der einen Seite Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr nach Afghanistan in den Krieg schicken, dann sind wir auf der anderen Seite auch verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie zur eigenen Sicherheit mit einer entsprechenden Ausrüstung unterwegs sind. Militärforschung ist nicht immer klar abgrenzbar, nicht jeder Auftrag des Verteidigungsministeriums hat etwas mit klassischer Waffenforschung zu tun. Die wiederum hat in der Tat an einem zivil-gesellschaftlichen Ort wie einer Hochschule nichts zu suchen.

Ihr Ministerium hat eine Liste mit Projekten an niedersächsischen Hochschulen veröffentlicht, deren Auftraggeber militärische Interessen nahelegen. An der Uni Göttingen wurde an der Zersetzung von chemischen Kampfstoffen geforscht. Das ist doch Waffenforschung.

Es geht dabei um die Zersetzung, also die Unschädlichmachung von Chemiewaffen – das ist nun gerade kein kriegerischer Zweck. Aber einmal abgesehen von diesem konkreten Forschungsprojekt: Wir haben grundsätzlich Konsequenzen gezogen. Erstens haben wir in Niedersachsen die Liste komplett öffentlich gemacht, damit nicht hinter verschlossenen Türen geforscht wird. Zweitens wollen wir Wege finden, dass die Hochschulen in Zukunft Projekte, die mit Drittmitteln finanziert werden, per eigener Datenbank sofort öffentlich machen können. Drittens diskutieren wir gerade mit den Hochschulen, dass sie zukünftig selbst Plattformen schaffen, auf denen wissenschaftsethische Fragen öffentlich diskutiert werden können – auch von Studierenden und Doktoranden.

Das Problem der Transparenz bleibt ja dennoch. Die Leibniz Universität Hannover gibt auf der veröffentlichten Liste nur von etwa 36 Prozent der Projekte Auftraggeber und Inhalte an. Der Rest wurde als vertraulich eingestuft.

Noch mal: Die Forschung an den Hochschulen muss transparent sein, und klassische Waffenforschung gehört nicht an öffentliche Hochschulen. Und wenn es Projekte gibt, zu denen dennoch keine Daten veröffentlicht werden können, muss das begründet werden. Deswegen ist es wichtig, dass es eine Plattform in den jeweiligen Hochschulen gibt, damit darüber diskutiert werden kann, wie man das als Hochschule bewertet.

Also bis auf Waffenforschung ist alles vertretbar?

Wissenschaftsfreiheit entbindet nicht von gesellschaftlicher Verantwortung, von daher gibt es den moralischen Anspruch an einen Forscher, nur für friedliche und nicht für kriegerische Zwecke zu forschen. Ich als Wissenschaftsministerin kann aber das einzelne Forschungsprojekt nicht beurteilen, sondern nur einen öffentlichen Diskurs darüber fordern. Sofern es Verstöße gegen Rüstungskontroll- oder Rüstungsexportauflagen gibt, wäre das natürlich justiziabel. Aber das war bislang in Niedersachsen nicht der Fall.

52 Jahre, grüne Wissenschaftsministerin in Niedersachsen. Sie promovierte über „Die Rüstungskontrollpolitik Belgiens“.

Vonseiten der Universitäten wird häufig argumentiert, dass die Ergebnisse von dem, was unter „Militärforschung“ läuft, sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können, bekannt unter dem Namen „dual use“. Werden dadurch nicht bewusst Grauzonen geschaffen?

Ich denke, dass das Öffentlichmachen und das Diskutieren darüber sehr wichtig ist. Man muss immer den Einzelfall betrachten. Man kann nicht pauschal erklären, das ist militärisch relevante Forschung, und die gehört hier nicht hin.

Kai Gehring, Sprecher für Hochschulpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, sieht das offensichtlich anders. Er fordert, dass die Bundesregierung ihren Schwerpunkt auf Forschung legen sollte, die dem Frieden dient.

Ich sehe da keinen Widerspruch. Wir haben einen grünen Konsens, dass wir Transparenz über Drittmittelforschung brauchen – das gilt nicht nur, aber auch für Rüstungsforschung – und genau nach diesem Konsens handeln wir hier. Ansonsten sind Aufträge des Verteidigungsministeriums Sache des Bundestages.

Ist die mangelnde Grundfinanzierung der Unis durch die Länder nicht Teil des Problems? Die Uni Hannover argumentiert beispielsweise, sich ohne diese Aufträge nur 5 statt 32 Nachwuchswissenschaftler leisten zu können.

Es stimmt zwar, dass der Anteil der Drittmittelforschung an allen Hochschulen in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen ist, aber die militärisch relevante Forschung macht einen verschwindend geringen Teil aus (zwischen 2000 und 2013 nur 0,5 Prozent der gesamten Drittmitteleinnahmen niedersächsischer Hochschulen). Daran hängt nicht das Wohl und Weh der Hochschulen.

Auf der Liste finden sich Aufträge von Rüstungskonzernen, der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums. Mussten Sie die einzelnen Auftraggeber vor der Veröffentlichung um Zustimmung bitten?

Nein.

Das Verteidigungsministerium hat kürzlich mitgeteilt, weiterhin militärisch relevante Forschungsaufträge nicht öffentlich zu machen. Wollen sie sich mit dem Ministerium anlegen?

Ich habe zu verantworten, was an niedersächsischen Hochschulen passiert und werde dafür sorgen, dass in Zukunft hier transparent wird, was mit welchen Mitteln erforscht wird. Weiter reicht mein Wirkungskreis leider nicht.

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