Israelisch-palästinensischer Konflikt: Sorge um Eskalation wächst

Sechs Israelis sitzen unter Verdacht des Mordes an einem palästinensischen Jugendlichen in Haft. Die USA schlägt gegen Polizeigewalt Alarm.

Brennende Reifen, aufziehende Polizei: Szene aus der Stadt Ar'ara. Bild: ap

JERUSALEM taz | Vier Tage nach der Entführung und Ermordung eines 16-jährigen Palästinensers verdichtet sich die Vermutung, dass für die Tat israelische Rechtsextremisten verantwortlich sind. Mohammed Abu Chedair war nur wenige Stunden nach der Beerdigung dreier israelischer Teenager, die ebenfalls entführt und ermordet worden waren, als vermisst gemeldet worden.

Am Sonntag wurde bekannt, dass die Polizei sechs jüdische Verdächtige festgenommen hat, die offenbar dem radikalen national-religiösen Lager in Israel zuzurechnen sind. Palästinensische und israelische Ärzte, die gemeinsam eine Obduktion vornahmen, fanden Rußspuren in der Lunge des Toten, was beweist, dass der Junge noch am Leben war, als er verbrannt wurde.

Die Brutalität der Gewalt gegen Minderjährige heizt die Emotionen in beiden Lagern an. Unter dem Diktat einiger weniger Extremisten drohen Israel und die Palästinenser in einen neuen blutigen Teufelskreis abzugleiten. Seit Tagen liefern sich palästinensische Demonstranten so heftige Straßenkämpfe wie seit Jahren nicht mehr mit der Polizei. Über einhundert Menschen mussten am Wochenende mit Verletzungen in Krankenhäuser gebracht werden. Die Bilder wecken Assoziationen an frühere palästinensischen Volksaufstände, und die Sorge wächst, dass nun eine dritte Intifada bevorstehen könnte.

Knapp eine Woche nach dem Fund der drei ermordeten jungen Israelis steht eine Entscheidung der Regierung in Jerusalem über das weitere Vorgehen aus. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bremste Hardliner, die in einen neuen Krieg ziehen wollen. „Wir sollten nichts überstürzen“, meinte er am Sonntag bei der sonntäglichen Kabinettssitzung, und meinte damit auch die südliche Front zum Gazastreifen, wo Panzer aufgefahren sind.

Auch vier Palästinenser festgenommen

In der Nacht zum Sonntag nahmen Sicherheitskräfte in Hebron im Westjordanland einen verdächtigen Palästinenser im Mordfall der drei israelischen Teenager fest. Hossam Dufesh war angeblich am Tag der Entführung der Religionsschüler abgetaucht. Dreimal seien die Soldaten im Haus seiner Eltern gewesen, ohne ihn aufzufinden. Am Samstag sendete das israelische Fernsehen ein Interview mit ihm. „Wenn sie wollen, sollen sie kommen und mich holen“, meinte Dufesh, freiwillig werde er sich nicht stellen. Jede Verwicklung in die Entführung wies er von sich. Die beiden gesuchten Hauptverdächtigen Marwan Kawasme und Amer Abu Aische seien ihm nicht bekannt.

Die israelischen Sicherheitskräfte stehen nach ihren jüngsten Fehlern unter Druck: Am schwerwiegendsten wiegt die Tatsache, dass man einen Telefonanruf eines der Entführten offenbar nicht ernst nahm. Über fünf Stunden vergingen, bevor erst nach Vorsprechen der Eltern der Vermissten endlich die Suche nach den Jugendlichen eingeleitet wurde.

Schläge und Fußtritte

Zu einem Eklat mit den USA könnte die gewaltsame Festnahme von Tarik Chedair führen. Der 15-jährige Cousin des palästinensischen Mordopfers Mohammed besitzt die US-Staatsbürgerschaft. Der Junge war am Wochenende unter Schlägen und Fußtritten durch israelische Sicherheitskräfte festgenommen worden. Videobilder, die möglicherweise seine Verhaftung zeigen, und ein Foto des schwer zugerichteten Jungen kursieren im Internet.

Das US-Außenamt zeigte sich „zutiefst beunruhigt“ angesichts der „massiven Gewalt“, die gegen den Staatsbürger der USA angewendet wurde. Die Polizei entließ den Jungen gestern Mittag und stellte ihn unter Hausarrest.

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