Ausländische Fachkräfte: Das konspirative Projekt Xenos

Behörden in Hamburg und Bremen suchen nach qualifizierten Fachkräften unter Flüchtlingen. Auserwählte werden auf den Arbeitsmarkt vorbereitet.

Begehrt auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Ärzte und Krankenschwestern, die vor ihrer Flucht in ihrer Heimat eine medizinische Ausbildung absolvierten Bild: dpa

HAMBURG taz | Ungeachtet der Öffentlichkeit läuft schon seit Mitte Februar eine konzertierte und konspirative Operation der Ausländerbehörden und Arbeitsagenturen in Hamburg und Bremen: Das Projekt „Xenos – Arbeitsmarktliche Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge“. Unmittelbar nach Asylantragsstellung leitet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die Daten auserwählter Flüchtlinge, die gute Chancen auf einen Aufenthaltsstatus haben, an die beiden Arbeitsagenturen weiter. Diese zeigen den Flüchtlingen dann Möglichkeiten zur Integration in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen auf.

Auch wenn es irgendwie wie eine Willkommensgeste aussieht: „Das ist kein humanitäres Projekt“, betont der Chef der Hamburger Arbeitsagentur, Sönke Fock, gegenüber der taz. „Es soll erkannt werden, welches Potenzial und welche Qualifikation in dem Menschen vorhanden ist, damit diese Person auf dem deutschen Arbeitsmarkt verwertet werden kann.“

In der Tat: Steigende Zahlen von Bürgerkriegs- und politischen Flüchtlingen auf der einen Seite, der Schrei der Wirtschaft über den Fachkräftemangel auf der anderen Seite. Erst Ende der Woche erklärte die Hamburger Wirtschaft, dass 37.000 Fachkräfte in den Betrieben fehlen.

Selbst in der Politik setzt sich die Erkenntnis durch, mit dem staatlichen Tabu zu brechen, dass Asylbewerbern erst nach neun Monaten der Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt werden sollte. Denn in dieser Zeit bekommen sie Sozialleistungen, obwohl sie vielleicht ihren Unterhalt selbst erarbeiten könnten.

Das Arbeitsmarkt-Integrationsprojekt für Flüchtlinge Xenos gibt es bundesweit an acht ausgewählten Standorten. Es läuft bereits seit Februar.

Neben Bremen und Hamburg gibt es Xenos auch in Augsburg, Dresden, Freiburg und Köln. Voraussetzung ist, dass in den Städten ein Bleiberechts-Netzwerk besteht.

Gefördert wird das Projekt vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Arbeitsagenturen vom Europäischen Sozialfonds für Deutschland.

Die Bleiberechts-Netzwerk-Strukturen werden in Bremen vom Zentrum für Schule und Beruf des Deutschen Roten Kreuz gestellt. In Hamburg ist der Träger die Passage gGmbH Migration und Internationale Zusammenarbeit.

Netzwerke machen es möglich

Die Entscheidungsgewalt bei Xenos bleibt jedoch weiter beim Bamf: „Wir sind nicht Herr des Verfahrens“, sagt Agenturdirektor Fock. Das Bamf suche die Personen aus, „die mit einiger Wahrscheinlichkeit hier bleiben können“, sagt Fock. Das seien vor allem Flüchtlinge aus dem Iran, Irak, Syrien Afghanistan, Sri Lanka, Eritrea, Pakistan und Somalia. Und Hamburg und Bremen verfügten über Bleiberechts-Netzwerke, die solch ein Projekt möglich machten, sagt Fock.

Seit Mitte Februar seien 170 Namen von Menschen aus den Hamburger Flüchtlingsunterkünften der Arbeitsagentur gemeldet worden. Diese seien dann mehrsprachig eingeladen worden. Die Teilnahme an Xenos sei freiwillig. „Das Projekt läuft nicht gegen den Willen des Asylbewerbers“, bekräftigt Fock.

In dem ersten Gespräch erstellt dann die Projektleiterin und Arbeitsvermittlerin Doris Mir Gaffari ein sogenanntes „Mini-Arbeitspaket“, damit dann der Asylbewerber nach dem Prinzip „Early Intervention“ frühzeitig nach seinem Qualifikationsprofilen in Maßnahmen der Arbeitsmarkt-Integration einbezogen werden könne. Rund 50 Asylbewerbern hat Mir Gaffari bereits auf den Zahn gefühlt. „Da war die ganze Bandbreite bei: Vom Analphabeten, Abiturienten, Studenten, Akademiker bis zum Dolmetscher“, berichtet sie. Dabei werde auch geprüft, welche Ausbildung im Heimatland angerechnet werden könne, sagt Mir Gaffari.

So habe sie zum Beispiel einen jungen Somali gehabt, der keine schulische Ausbildung habe, jedoch zehn Jahre in der Autowerkstatt des Onkels gearbeitet und Berufserfahrung habe. Oder die junge Iranerin, die in der Heimat Buchhaltung studiert habe. Eines hätten alle gemeinsam, sagt Mir Gaffari. Alle müssten vor weiteren Qualifizierungen erst einmal ihre Deutschkenntnisse verbessern. Und, so Mir Gaffari: „Viele sind wegen ihrer traumatischen Erlebnisse noch nicht in Deutschland angekommen.“

Eines bleibt jedoch beim Alten: Einen Job kann dem Flüchtlingen erst vermittelt werden, wenn das Asylverfahren abgeschlossen sei, weil sie sonst keine Arbeitserlaubnis bekommen, sagt Fock, es sei denn, jemand sei ein syrischer Arzt.

Auch das Dublin II-Abkommen habe Mir Gaffaris Arbeit schon durchkreuzt, da ein Mann erst den Ausgang seines Asylverfahrens in Ungarn abwarten müsse. „Es ist nicht alles widerspruchsfrei“, sagt Agentur-Direktor Fock. Aber es würden neun Monate Zeit gewonnen, lobt er das Projekt. Xenos ist auf ein Jahr befristet. Fock sagt: „Wir sind sicher, dass es länger laufen wird.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.