Kommentar CSU-Europawahlkampf: Reaktionäre Großmäuligkeit

Europafeindlich, nationalistisch und rückwärtsgewandt – so startet die CSU in den Europawahlkampf. Die Partei fürchtet die Konkurrenz der AfD.

Zurück in die Vergangenheit: Horst Seehofers CSU will einen losen Staatenbund Bild: imago

Die sympathische Regionalpartei aus Bayern fühlte sich ja traditionell fürs große Ganze zuständig. Horst Seehofers irrlichternde Großmäuligkeit ist gefürchtet in der Berliner Koalition, seiner Bayern-vor-Strategie verdankt die Republik legendäre Fehlsteuerungen wie das Betreuungsgeld.

Jetzt startet die CSU in den Europawahlkampf. Und ihr lautstark beworbener „Europaplan“ macht klar, worum es ihr dabei geht: vor allem um sich selbst. Allein das wäre nicht weiter aufregend, natürlich hat eine Bayernpartei auch dann vor allem die Interessen Bayerns im Blick, wenn es um Brüssel geht. Aber die Ansagen der CSU sind mehr als Egoismus. Sie sind gefährlich.

Seehofers CSU präsentiert sich rückwärtsgewandt und fest im nationalistischen Denken verhaftet. Sie fischt offensiv in dem Klientel, das auch die AfD anspricht. Die CSU will zurück in die Vergangenheit, zu einem nationalstaatlich dominierten, losen Staatenbund. Dies widerspricht der Aussage Angela Merkels und ihrer CDU, ein starkes Europa zu wollen.

Ein paar Beispiele für den bayerischen Populismus: Die CSU spielt schamlos mit dem Ressentiment, die EU sei ein Bürokratiemonster, dessen teuer bezahlte Beamten die Menschen mit ihrem Regulierungswahn drangsalierten. Sie fordert etwa, die Zahl der EU-Kommissare zu halbieren, angeblich um Kosten zu sparen und Bürokratie abzubauen. Solche Ideen adressieren den Stammtisch, mehr nicht.

Ganz abgesehen davon, dass das Sparpotential der Kommissionsschrumpfung marginal sein dürfte: Es hat einen guten Grund, dass jedes der 28 Mitgliedsländer einen Kommissar entsenden darf. Das egalitäre Besetzungsprinzip signalisiert, dass sich die EU dem Gleichheitsgedanken verpflichtet fühlt. Das kleine Litauen bekommt ebenso eine Stimme wie das mächtige Deutschland.

Überall Stoppschilder

In ihrem Europaplan stellt die CSU überall Stoppschilder auf. Sie will der EU Regelungen verbieten, sie wehrt sich dagegen, ihr weitere Kompetenzen zu übertragen, sie will ihr gar Kompetenzen entziehen. Ein stärkeres Europa braucht das Gegenteil. Nämlich auf lange Sicht die Möglichkeit, Dinge anzuschieben, die bisher von den Mitgliedsstaaten blockiert werden.

Nur da, wo es Bayern nutzt, sind der CSU EU-Regelungen plötzlich herzlich willkommen: Die Agrarsubventionen, von denen bayerische Bauern profitieren, dürfen selbstverständlich nicht angetastet werden.

Der Kurs der CSU ist nicht nur verlogen, er würde auch Europa entscheidend schwächen. Das Kalkül dahinter ist offensichtlich: Seehofer fürchtet bei der Europawahl die Konkurrenz der AfD, die ebenfalls gegen Brüsseler Regulierungswahn wettert. Er weiß, dass seine Wähler – übrigens auch die anderer Parteien, etwa die der Linken – anfällig für solch einfache Botschaften sind.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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