Streit um die Krim: Für Merkel gibt es G8 nicht mehr

Behörden teilen auf der Krim russische Pässe aus, der ukrainische Marinechef ist wieder frei. Angela Merkel droht Russland mit Sanktionen und G8-Ausschluss.

Angela Merkel droht mit Sanktionen gegen Russland. Bild: dpa

BERLIN/MOSKAU/WASHINGTON dpa/afp/rtr | Erstmals seit dem umstritten Referendum auf der Krim haben sich Moskau und Kiew auf Ministerebene ausgetauscht. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe bei einem Telefonat mit seinem ukrainischen Kollegen Igor Tenjuch „verschiedene Aspekte der Krise in der Ukraine und Maßnahmen zur Deeskalation der Lage auf der Krim“ besprochen. Das teilte das Ministerium in Moskau am Donnerstag mit.

Zuletzt hatte sich der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk beklagt, dass sein russischer Kollege Dmitri Medwedew Gespräche mit ihm verweigere. Russland erkennt die Regierung in Kiew nicht an.

In Moskau kündigte Außenminister Sergej Lawrow an, den juristischen Prozess des Beitritts der Krim zur Russischen Föderation noch in dieser Woche abzuschließen. Am Nachmittag wollte die Staatsduma den Beitrittsvertrag ratifizieren, an diesem Freitag soll der Föderationsrat zustimmen. Lawrow als Beauftragter für den Krim-Anschluss betonte, Russland werde weiter darauf achten, dass die Rechte seiner Bürger in allen Ländern sichergestellt würden.

Die moskautreue Führung der Krim ließ den festgenommenen ukrainischen Marinechef Sergej Gajduk sowie sieben proukrainische Aktivisten frei, wie die Agentur Kriminform meldete. Der Vizeadmiral war am Vortag bei der Besetzung des ukrainischen Marine-Hauptquartiers in Sewastopol von prorussischen Kräften in Gewahrsam genommen worden. Schoigu hatte gefordert, Gajduks Ausreise aufs Festland zu ermöglichen.

Gesetzentwurf für endgültige Eingliederung

Der Chef der russischen Schwarzmeerflotte Alexander Vitko nach der Stürmung der ukrainischen Marine auf der Krim. Bild: ap

Indes hat Russland damit begonnen, auf der Krim russische Pässe auszuhändigen. Die Nachrichtenagentur RIA Nowosti zitierte den Chef der russischen Migrationsbehörde, Konstantin Romodanowski, mit den Worten, dass dieser „Prozess begonnen“ habe. Demnach wurde schon am Mittwoch ein Teil der Dokumente ausgestellt. „Diese Arbeit wird sich nun von Tag zu Tag intensivieren“, sagte er der Nachrichtenagentur.

Ein entsprechender Gesetzentwurf, der am Mittwoch dem russischen Unterhaus vorgelegt worden war, sieht vor, dass mit der endgültigen Eingliederung der ukrainischen Halbinsel Krim in die Russische Föderation die dortigen Einwohner als russische Staatsbürger betrachtet werden. In einem umstrittenen Referendum hatte sich die Krim am Sonntag für eine Abspaltung von der Ukraine ausgesprochen. Daraufhin hatte Russland die Krim in sein Staatsgebiet aufgenommen.

Romodanowski äußerte sich hingegen nicht dazu, wie mit denjenigen umgegangen werden solle, die die russische Nationalität nicht wünschten. Derzeit gebe es „drängendere Aufgaben“, sagte er. Der Fall der Krim sei einzigartig und die Eingliederung gerade erst vollzogen worden.

Merkel: G8 gibt es so nicht mehr

Unmittelbar vor dem EU-Gipfel zur Krim-Krise hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Russland mit wirtschaftlichen Sanktionen bei einer weiteren Verschärfung der Lage gedroht. Der Anschluss der Krim an Russland erfordere „die entschlossene wie geschlossene Antwort Europas und seiner Partner“, sagte sie am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag.

Sie kündigte eine Ausweitung der Liste der bisher 21 Personen an, gegen die Reisebeschränkungen und Kontensperrungen verhängt wurden. Bei einer weiteren Verschärfung der Lage forderte sie weitere Schritte. „Und dabei wird es ganz ohne Zweifel auch um wirtschaftliche Sanktionen gehen.“

Zur Zukunft Russlands in der Gruppe der acht wichtigsten Wirtschaftsnationen sagte Merkel: „Solange das politische Umfeld für ein so wichtiges Format wie die G8 nicht gegeben ist, gibt es die G8 nicht mehr, weder den Gipfel noch die G8 als solches.“ Die Vorbereitungen für das G8-Treffen im Juni im russischen Sotschi sind wegen der Entwicklung auf der Krim bereits ausgesetzt worden.

Obama schließt Militäreinsatz aus

US-Präsident Barack Obama hat ein militärisches Engagement in der Ukraine ausgeschlossen. Dazu werde es nicht kommen, sagte er am Mittwoch in einem Interview mit dem Sender KNSD. Auch die Menschen in der Ukraine würden dies nicht für richtig halten. Stattdessen würden die USA ihre diplomatischen Bemühungen forcieren. Damit solle Russland dazu gebracht werden, seinen Griff um die ukrainische Halbinsel Krim zu lockern.

Nato-Chef Fogh Rasmussen warnte dagegen, der russische Präsident Wladimir Putin werde sich womöglich nicht mit der Annexion der Krim begnügen. Die Krise sollte ein „Weckruf“ für die europäischen Länder sein, ihre Militärausgaben aufzustocken. Sie sei die schwerwiegendste Bedrohung für die Sicherheit und Stabilität in Europa seit dem Ende des Kalten Krieges, sagte Rasmussen auf einer Veranstaltung in Washington.

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