Kommentar Krim-Referendum: Statisten im Moskauer Schauspiel

Nach dem Jubel-Sonntag beginnt die Zeit der Ausnüchterung auf der Krim. Die Bewohner der Halbinsel sind jetzt Geiseln von Putin.

Eine Frau wartet am Sonntag auf das Ergebnis des Referendums in Simferopol. Bild: dpa

96,8 Prozent der Krimbewohner stimmen für den Anschluss an Russland – so etwas nannte man, als Moskau noch der Nabel der Welt war, ein „machtvolles Bekenntnis“. Erst zwei Wochen sind seit der handstreichartigen Machtübernahme auf der Krim vergangen, und nun sind die Russen auf der Krim die Ukraine bereits los.

„Heim nach Russland geht es jetzt!“ rief Wladimir Konstantinow, der Präsident des Krimparlaments, am Sonntagabend, den Bewohnern der Krim zu und versprach Wohlstand und Glück. Das mag für das persönliche Wohlergehen des Multimillionärs gelten, die Krimbewohner selbst gehen einer ungewissen Zukunft entgegen.

Denn ganz gleich wie die 96,8 Prozent zustande gekommen sind, die Befragten hatten nur etwas abzunicken, was andere für sie entschieden haben. Die vielen russischen Eiferer auf der Krim sind Statisten in einem Schauspiel, das Moskau gemeinsam mit halbseidenen Lokalpolitikern inszeniert hat, um die Ukraine zu demütigen, seine „Partner“ im Westen zu düpieren und um Russland aufzurichten. Jetzt sind die Krimbewohner, ganz gleich ob Ukrainer, Russe oder Tatar, Geiseln von Wladimir Putin. Er wird mit ihnen und ihrem Votum verfahren, wie es ihm in den Kram passt.

Will er die EU und die USA besänftigen, bremst er das Tempo und lässt die Halbinsel über Jahre als Operettenstaat schmoren mit Unterweltgrößen an der Spitze und prügelnden „Selbstverteidigungskräften“ als Polizei. Will er seinen Untertanen imponieren, verleibt er sich die Krim zügig ein und rüstet die Schwarzmeerflotte auf. Will er die Ukraine weiter destabilisieren, zündelt er auf der Krim und an ihren Rändern immer weiter. Die Krimbewohner sind nur noch Zaungäste. Noch einmal werden sie nicht gefragt.

Solche Feiertage wie der Sonntag wird es trotzdem weiter geben. Bereits im April soll auf der Krim der Rubel eingeführt werden. Zumindest im Portemonnaie ist die Wiedervereinigung mit Russland bald perfekt. Dumm nur, dass Wladimir Putins Staatskunst den Rubel hat schwindsüchtig werden lassen. Auch wenn es für das russische Fernsehen kein Thema ist, auch die Bewohner der Krim werden bald merken, dass selbst glühende Patrioten im russischen Mutterland hektisch ihre Rubel in Dollar und Euro umtauschen und gen Westen schaffen, wo doch angeblich gerade der Faschismus aufersteht. Deren Banken jedenfalls vertrauen sie mehr als dem Kreml.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

1982 Agrotechniker/Mechanisator; 1985 Film-Missionar, Diplom-Theologe, 1992/93 Staatliche Belarussische Lenin-Universität Minsk, 1997 Journalist, seit 2012 Reporter im Ressort Reportage & Recherche. Ehrungen: Bester Lehrling beim Pflügen der Herbstfurche im Kreis Burg b. Magdeburg (1983) Autor: Ukraine. Zwischen den Karpaten und dem Schwarzen Meer (Reiseführer, Trescher Verlag 2011). Aus aktuellem Anlass wieder als E-Book verfügbar.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.