Prostitutions-Debatte: Ein Freier und seine Prostituierte

Benjamin bezahlt Lea für Sex. Lea ist gern Dame. Was wäre, wenn ihr Job verboten würde? Wo Benjamin doch „vom Beziehungsmarkt aussortiert“ ist.

Nein, kein Spätkauf. Ein Bordell. Bild: dpa

Benjamin* spricht über den Sex, den er kauft, wie über Spielregeln, die man nicht verletzen darf. Sonst ist man raus. „Nicht die Birne weich machen lassen“, sagt er. „Nicht am Rumkuscheln sein.“ „Nicht zu emotional sein.“ „Nicht zu menschlich.“

Prostitution sei auch wie ein Spiel, meint er, ähnlich dem Leben: „Letztlich sucht man immer das, was man nicht findet.“

Benjamin sitzt im Rollstuhl, und er glaubt, die Leute würden „Jaaa, der“ sagen, würden sie erfahren, dass er ein Freier ist. Einer im Rollstuhl, der „kriegt's halt nicht anders“. Der „kriegt keine ab“. Er gehört automatisch zu den „netten“ Freiern, die, für die man gerade noch so Verständnis hat.

Und sicher ist die Tatsache, dass sich Benjamin „vom „Beziehungsmarkt aussortiert“ und einsam fühlt, ein Grund dafür, dass er Lea 400 Euro im Monat für drei Stunden Sex zahlt. Aber der einzige?

In der Prostitutionsdebatte reden alle, nur nicht die, ohne die es Prostitution nicht gäbe: Freier. Von vier Männern, die Sex kaufen, und ihren Gründen lesen Sie in der taz.am wochenende vom 8./9. Februar 2014 . Außerdem: Claudia Pechstein und ich. taz-Sportredakteur Markus Völker, selbst einst Eisschnellläufer in der DDR, portraitiert eine sture Kämpferin. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Seit Alice Schwarzer, die vergangene Woche ihre Steuerhinterziehung gestand, im Herbst ihr neues Buch herausgegeben hat, „Prostitution – Ein deutscher Skandal“, wird darüber gestritten, ob und wie Prostitution abzuschaffen sei. Neunzig Prominente waren Erstunterzeichner ihres „Appells gegen Prostitution“ in der Emma.

Bei Jauch und Maischberger diskutierten Politiker, Feministinnen, Kriminalhauptkommissare, Bordellbesitzer und Sexarbeiterinnen über ein verschärftes Gesetz und darüber, ob seit der EU-Osterweiterung der Menschenhandel mit Mädchen aus Rumänien und Bulgarien floriert. Es diskutierten bloß selten die, die Prostitution in Anspruch nehmen. Aber gehören Freier nicht zur Debatte?

In der Titelgeschichte der taz.am wochenende vom 8./9. Februar 2014 kommen Freier wie Benjamin zu Wort. Manche von ihnen quälen sich mit Selbstvorwürfen, andere halten das, was sie tun, für kaum der Rede wert. „Das ist so wie: Ich hab Bock auf ein Eis“, sagt einer. Und viele von ihnen sind irgendwann auf ihren Wegen durch die Sauna-Clubs und Laufhäuser schon auf Spuren von Zwangsprostituition gestoßen: blaue Striemen, leise Nebensätze von Mädchen.

Für Lea* ist Benjamin ein Kunde. Auch eine Prostituierte hat eine Schweigepflicht, deswegen möchte sie nicht über ihn sprechen. Sie hat auch bestimmte Grenzen, die sie einhält. Sicherheitsmaßnahmen. Lea will die Adressen von Männern kennen, bevor sie sie trifft. Sie merkt sich keine Gesichter, das sei so ein Selbstschutz von ihr.

Sie sagt weder, Prostitution sei ein Beruf „wie jeder andere“, noch, dass er ihr keinen Spaß macht. Sie ist gern Dame, sagt Lea. Sie reist gern und geht gern aus. Sie ist selbstständig, macht ihre Buchhaltung, zahlt Steuern als Gewerbetreibende. Sie sagt: „Ja, Alice. Ja. Ja. Ich hab's mir selbst ausgesucht, dieses Metier.“

Trotzdem hält sich Lea schwammig, was ihren Beruf angeht. Eventmanagement, so was. Ihr Vater hat es geahnt, sie haben einmal darüber geredet und dann nicht mehr. Es sei ihm lieber so, hat er gesagt, als dass sie jemandem „in der heute schweren Zeit“ irgendwie „auf der Tasche“ liegen muss.

Lea will kein Tabu. Benjamin wäre froh, er müsste sich „nicht rechtfertigen“. Und so lange beide einfach ihre Geschäftsbeziehung pflegen, ein Freier und seine Prostituierte, müssten sie das eigentlich auch nicht.

Wäre da nicht die Debatte. Wären da nicht Schwarzers Forderungen, der Appell, in dem steht, Prostitution verletze die Menschenwürde – ein Text, der Bilder von Prostituierten und Freiern zeichnet, in die Lea und Benjamin nicht hineinpassen. Wären da nicht die Verstrickungen in Gerichtsprozesse und ins Elend, sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen, räuberische Erpressung, Zuhälterei, oral auf dem Drogenstrich: zehn bis zwanzig Euro, anal: vierzig bis sechzig. Bordelle mit Geld-zurück-Garantie. Wäre da nicht die Sprache, die für Verbrechen gefunden wurde.

„Frischfleisch.“

„Eingeritten werden.“

Muss man Prostitution deshalb verbieten? Weil sie nicht nur Leas Arbeit bei Benjamin ermöglicht, sondern auch Ausbeutung und Unterdrückung? Oder gibt es sinnvollere Maßnahmen, gegen Zwangsprostitution vorzugehen? Ist es überhaupt sinnvoll, die Debatte in den schwarz-weißen Schablonen zu führen, die Alice Schwarzer vorgeschlagen hat? Wenn nicht: Worüber müsste man dann reden? Auch über die grundsätzliche Frage: Gibt es gute Prostitution, okaye Prostitution?

Diskutieren Sie mit!

Die Titelgeschichte „Kundenkontakt“ lesen Sie in der der taz. am wochenende vom 8./9. Februar 2014.

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