120 Jahre Großer Vorsitzender: Heikle Feier für Mao

Sich auf Mao zu berufen ist angesagt in China. Die KP-Spitze hingegen will das 120-jährige Jubiläum „schlicht und pragmatisch“ halten. Das hat seine Gründe.

Aufs herzlichste gratuliert die chinesische Studentenschaft dem Goßen Vorsitzenden zum 120 Geburtstag. Bild: reuters

Wie zelebriert man den 120. Geburtstag Mao Zedongs am 26. Dezember auf korrekte Art und Weise? Wie feiert man einen Mann, der in den Augen vieler Chinesen heute nicht so sehr für seine gescheiterten revolutionären Experimente und die vielen Millionen Opfer verantwortlich gemacht wird, sondern vor allem als Symbol der Nation und des starken Staates erscheint?

Ein Schluck des zu diesem Anlass gebrauten 120-Jahre-Mao-Gedächtnisschnapses der chinesischen Edelmarke Maotai würde sicher helfen, ist aber gewöhnlichen Sterblichen schwer zugänglich, da diese speziellen Flaschen nur in limitierter Auflage produziert wurden.

Aus einem Besuch einer geplanten Gala in Peking unter dem Titel „Nichts ist so rot wie die Sonne und keiner wird so geliebt wie der Vorsitzende Mao“ kann auch nichts werden. Die Veranstaltung ist abgesagt, weil die „Öffentlichkeitsabteilung“ der Kommunistischen Partei sie nicht genehmigt hat. Womöglich entsprach sie nicht dem Wunsch des heutigen Parteichefs Xi Jinping, Mao-Geburtstagsfeiern „feierlich, schlicht und pragmatisch“ zu halten.

Warum die KP-Spitze sich vor aufwendigen oder mitreißenden Gedenkfeiern fürchtet, begründete ein Pekinger Politikwissenschaftler in der Zeitung Global Times kürzlich so: Einige „konservative Leute und Funktionäre mit Eigeninteressen wollen die Reformen bremsen, indem sie fälschlicherweise einige der konservativsten Gedanken Maos propagieren“. Er hätte es auch so formulieren können: Solche Feiern können heikel sein, weil Mao bis heute eine scharfe Waffe im politischen Kampf ist und jeder mit ihm seine eigenen Ziele verbindet.

Ganz schön verwirrend: Parteichef Xi, der gern Maos revolutionäre Sprüche zitiert, „Massenlinie“ und „Selbstkritik“ propagiert, will einen „chinesischen Traum“ erfüllen, dafür den chinesischen Kapitalismus modernisieren und zugleich die Macht der Zentralregierung vergrößern. Seine „konservativen“ Gegner in der KP beziehen sich ebenfalls auf Mao, wenn sie sich dafür einsetzen, zu mehr Planwirtschaft zurückzukehren. Andere schwenken die Mao-Fahne, um gegen die gewaltige Korruption in Partei und Bürokratie zu protestieren.

Arme Bauern, fette Bonzen

So ist Mao zum weißen Blatt Papier geworden, auf das jegliche Projektion passt: Sein Konterfei ziert die Geldscheine; Mao-Porträts hängen in den Wohnungen armer Bauern, die sich dagegen wehren, dass KP-Bonzen ihre Grundstücke enteignen. Funktionäre verneigen sich vor Mao-Statuen wie vor Konfuzius. Maos Geburtsort Shaoshan hat aus Anlass des 120. Geburtstags und zur Förderung des Tourismus 239 Millionen Euro in Monumente, schicke Gebäude, einen Bahnhof und andere Projekte investiert.

In vielen kleinen Geschäften steht Mao auf dem Haus-Altar neben dickbäuchigen Buddhafiguren. Manche Autofahrer haben Mao-Anhänger im Wagen baumeln – als eine Art Schutzpatron St. Christophorus, der Unglück abwenden soll. Chinesische Künstler stellen Mao verkaufsträchtig als Pop-Star dar, wahlweise auch mit den Zügen eines Ungeheuers. Das Mao-Museum in Shaoshan zeigt seine geflickte Unterwäsche, als Beleg für die Bescheidenheit jenes Mannes, der „Rebellion ist gerechtfertigt“ sagte und seine Kritiker mit größter Grausamkeit verfolgte.

Die Allgegenwart Maos macht es heute, 37 Jahre nach seinem Tod, so schwer vorstellbar, dass sein Porträt irgendwann nicht mehr am Tiananmen-Tor, dem Wahrzeichen der Volksrepublik, hängen sollte.

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