Kommentar Bundeswehr und Haare: Schießt, aber ohne Zopf

Es bleibt dabei: Der Soldat trägt Kurzhaar. Schade. Männer, die sich an Regeln fürs Aussehen mehr stören als einem Schießbefehl, täten der Bundeswehr gut.

Links um! Rechts um! Zöpfe ab! Bild: dpa

Ist das jetzt wie bei Kim Jong Il in Nordkorea, der Tafeln mit den Bildern von weitgehend identischen Musterfrisuren an alle Barbiere im Land verteilen ließ – auf dass sich der nordkoreanische Mann ja keinen „Westschnitt“ verpassen ließe?

Nichts da, sagt das Bundesverwaltungsgericht. Der von ihm am Dienstag bestätigte „Haar- und Barterlass“ der Bundeswehr verordne keine „Einheitsfrisur“, sondern setze lediglich „äußere Grenzen“. Strähnen über Ohren, Augen und Nacken sind genauso Tabu wie Zöpfe. Einen solchen, 40 Zentimeter lang, wollte ein Jungsoldat unbedingt im Dienst tragen. Deswegen hat er geklagt – und jetzt verloren.

Angewiesen, sagten die Richter, sei die Bundeswehr „auf ein einheitliches Auftreten nach außen und einen engen Zusammenhalt nach innen“. Die Wehrfähigkeit erfordert also nicht nur, dass es in den Köpfen uniformiert zugeht, sondern möglichst auch darauf. Dass Frauen gleichzeitig längere Haare tragen dürfen, sei „eine zulässige Maßnahme zur Förderung von Frauen“.

Man kann sich fragen, warum dies nicht auch für Männer gelten soll. Seitdem die Bundeswehr zur Berufsarmee umgebaut wird, hat sie Nachwuchsprobleme. Zu wenige treten den freiwilligen Grundwehrdienst an, zu viele brechen ihn vorzeitig ab.

Ein paar modebewusste Jungmänner, die größere Probleme mit einer Kurzhaarfrisur als mit einem Afghanistaneinsatz haben, kämen der Einsatzfähigkeit sicher zugute. Seitdem Auslandseinsätze zum normalen Repertoire deutscher Außenpolitik gehören, rührt der Staat die Werbetrommel für den Soldatenberuf: Ein Beruf wie jeder andere, irgendwie doch zivil, irgendwie ganz normal.

Ist er aber nicht. Wer zur Bundeswehr geht, gibt einen Teil seiner Bürgerrechte ab. Das Ausmaß, in dem das geschieht, unterscheidet ihn von allen anderen. Warum da ausgerechnet das Recht, bezopft in den Krieg zu ziehen, als Gipfel der Persönlichkeitsentfaltung verteidigt werden soll, verstehe, wer will. Die Bundeswehr ist auch dann keine freundlichere Armee, wenn Männer Zöpfe tragen und Frauen schießen.

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Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

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