Anti-Gentech-Aktivist über Mais-Studie: „Das Immunsystem reagiert“

Christoph Then von der Organisation Testbiotech antwortet auf die Aussagen des Vorsitzenden der Gentechnik-Lobby Innoplanta. Er warnt vor Leichtsinnigkeit.

„Manche Aktivisten müssen sich fragen lassen, ob sie die Ergebnisse nicht überinterpretiert haben“: Greenpeace-Mitglieder auf einem Maisfeld. Bild: dpa

taz: Herr Then, die wichtigste Studie, die Aktivisten zufolge eine Krebsgefahr durch Gentech-Mais belegt, ist widerrufen worden. Ist die Angst vor Gesundheitsrisiken durch gentechnisch veränderte Pflanzen unbegründet?

Christoph Then: Die Untersuchung des Forscherteams um den Molekularbiologen Séralini ist nur eine von mehreren. Und die Wissenschaftler sagen selbst, dass sie nicht der endgültige Beleg für gesundheitliche Risiken ist, sondern Anlass für weitere Untersuchungen. Man hätte die Studie deswegen nicht zurückziehen sollen.

Auch andere Studien haben sich als dürftig erwiesen. Was hat die kritische Risikoforschung noch in der Hand?

Etliche Studien zeigen, dass das Immunsystem auf gentechnisch veränderte Pflanzen reagiert. Man kann entzündliche Reaktionen im Gewebe und im Blutbild nachweisen. Vermutlich wegen der bakteriellen Eiweiße, die in diese Pflanzen eingebaut wurden. Offen ist aber, wie schädlich das ist. Das ist immer noch nicht richtig untersucht.

Wie wahrscheinlich sind Schäden?

Da etliche Studien vorliegen, muss man von einer gewissen Wahrscheinlichkeit ausgehen.

Der 51-Jährige ist Geschäftsführer des gentechnik-kritischen Vereins Testbiotech. Der promovierte Tierarzt ist ein einflussreicher Vordenker der Anti-Gentech-Szene. Er berät das Gen-ethische Netzwerk und Greenpeace.

Rechtfertigt ein so vager Stand der Wissenschaft die Angst, die viele Menschen vor der Gentechnik haben?

Die Angst, dass nicht ausreichend geprüfte Produkte auf den Markt kommen, ist definitiv berechtigt. Gerade hat die EU den Mais „Smartstax“ für den Import zugelassen. Da gab es keine Fütterungsstudie, die gesundheitliche Risiken untersucht hätte.

In den USA essen Menschen seit Jahrzehnten Gentech-Pflanzen. Trotz des Schadensersatzrechts dort gibt es keine ernstzunehmenden Hinweise auf Gesundheitsschäden.

Man müsste für hunderttausende Dollar den Beweis führen, dass ein bestimmter Bestandteil der Nahrung krank macht. Der normale Verbraucher kann das nicht. So ist es auch mit dem Rauchen gewesen: Geklappt hat es erst dann, als ein Verfahren dazu geführt hat, dass die US-Industrie bestimmte Daten offenlegen musste. Sie wusste schon die ganze Zeit von gesundheitlichen Risiken.

Wie wichtig ist Séralinis Studie nach dem Eklat mit der Fachzeitschrift noch?

Wir halten die Studie nach wie vor für wichtig, da die meisten Untersuchungen von der Industrie kommen. Und die meisten Studien, die veröffentlicht werden, haben noch geringere wissenschaftliche Standards. Es werden unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Die Wissenschaftler, die etwas finden, werden regelrecht verfolgt. Denen, die lausige Studien abliefern, aber nichts finden, gibt man einen Persilschein.

Das ändert nichts daran, dass Séralini so wenige Tiere gefüttert hat, dass keine zuverlässigen Aussagen zur Ursache der Tumore möglich sind. Ist die Glaubwürdigkeit der Anti-Gentech-Bewegung erschüttert?

Manche Aktivisten müssen sich fragen lassen, ob sie die Ergebnisse nicht überinterpretiert haben.

Wen meinen Sie?

Es gab schon E-Mails, bei denen ich dachte: So weit würde ich nicht gehen. Die großen Organisationen, Friends of the Earth und Greenpeace, aber haben nie gesagt, dass diese Studie der Nachweis für die Risiken ist.

Das Forscherteam hat Bilder der Tumorratten veröffentlicht und in seiner Studie ausführlich über die Krebsraten berichtet. War das unverantwortlich?

Es ist in der Forschung nicht üblich, die Ergebnisse durch solche Bilder in der Öffentlichkeit zu untermauern – und so stark Ergebnisse zu betonen, die eigentlich in der Studie gar nicht enthalten sind. Auf der anderen Seite hat die Diskussion dazu geführt, dass die EU-Kommission jetzt eine ähnliche Studie in Auftrag geben will – es hatte also auch was Gutes.

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