Friedensnobelpreis 2013: Chemiewaffen-Gegner ausgezeichnet

Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr erneut an eine Institution: die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen, OPCW.

Generaldirektor Ahmet Üzümcü vor dem Logo der OPCW. Bild: ap

GENF taz | Der Friedensnobelpreis 2013 geht an die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag. Die Auszeichnung solle als Abrüstungspreis verstanden werden, ganz nach den Vorstellungen des Stifters Alfred Nobel, erklärte das Nobelkomitee in Oslo am Freitag. Der Bürgerkrieg in Syrien habe die „schreckliche Rolle dieser Waffen“ unterstrichen.

„Endlich wieder jemand, der den Preis wirklich verdient hat“, freute sich der ehemalige UN-Waffeninspekteur und heutige Bundestagabgeordnete der Linken, Jan van Aken. Denn die aktuelle Situation in Syrien zeige „eindrücklich, wie wichtig unabhängige Inspektionen sind und was für einen guten Job die OPCW leisten kann“.

Unter den 21 Organisationen, die den seit 1901 verliehenen Preis bislang erhalten haben, ist die erst 1997 gegründete OPCW mit Abstand die jüngste. Zugleich ist sie das Ergebnis der längsten zwischenstaatlichen Verhandlungen der Geschichte. Fast 24 Jahre – von 1969 bis Anfang 1993 – feilschten die Mitgliedstaaten der ständigen UN-Abrüstungskonferenz in Genf über ein umfassendes Verbot von Chemiewaffen.

Schwierigster Punkt war die Vereinbarung von technischen Unterstützungsmaßnahmen und von möglichst wasserdichten Kontrollen, um die Umsetzung eines C-Waffenverbots zu gewährleisten. Dafür gründeten die Vertragsstaaten die OPCW, die im April 1997 ihre Arbeit aufnahm.

In den folgenden Jahren legten sieben der bislang 188 Vertragsstaaten gegenüber der OPCW den Besitz von Chemiewaffen offen: die USA, Russland, Indien, Irak, Libyen, Albanien sowie ein Land, dessen Namen nach einer Vereinbarung mit der OPCW nicht öffentlich nicht genannt wird. Die sieben Staaten deklarierten insgesamt 228 Stand- und Lagerorte mit 71.296 Tonnen Giftgasen sowie 8,67 Millionen Stück Munition oder Kanistern zu ihrer Abfüllung.

Die sieben Staaten und darüber hinaus Bosnien-Herzegowina, China, Frankreich, Iran, Japan, Serbien und Großbritannien haben der OPCW auch insgesamt 70 Produktionsanlagen für Chemiewaffen genannt. Sämtliche deklarierten Lager- und Produktionsstätten wurden von den Kontrolleuren bei bisher insgesamt 2.731 Besuchen inspiziert.

Unter Überwachung und mit technischer Hilfe der Kontrolleure wurden bislang 58.172 Tonnen Giftgase vernichtet sowie 4,67 Millionen Stück Munition und Kanister. 43 Produktionsanlagen wurden zerstört, 22 umgerüstet zur Herstellung erlaubter Produkte und fünf deaktiviert. Doch trotz des großen Engagements gelang die komplette Vernichtung der deklarierten C-Waffen-Arsenale innerhalb der in dem Verbotsabkommen von 1997 vereinbarten Fristen nur in Indien, Albanien sowie in dem ungenannten dritten Staat.

Die USA und Russland, die ihre C-Waffen-Arsenale bis Ende 2012 zerstören sollten, haben dies erst zu 60 Prozent erledigt. Grund für den Verzug sind in beiden Ländern technische und Umweltprobleme, Einsprüche aus der Bevölkerung in der Nähe der Vernichtungsstätten sowie Geldmangel. Der Exekutivrat der OPCW hat Moskau und Washington die Fristen bis 2021 beziehungsweise 2017 verlängert.

In Libyen unterbrach der Bürgerkrieg die Zerstörung der Waffenbestände. Während der Kämpfe 2011 wurden zwei C-Waffendepots gefunden, die das Gaddafi-Regime nicht gemeldet hatte. Im Irak, das der Verbotskonvention erst 2007 beitrat, gibt es nach Angaben eines OPCW-Sprechers noch zwei Depots mit Altbeständen aus den 1980er Jahren. Diese seien „versiegelt und gut bewacht“, ihr Abtransport und die Zerstörung seien aber angesichts der angespannten Sicherheitslage im Irak derzeit nicht möglich.

Auch in den 174 Vertragsstaaten, die weder C-Waffen noch Produktionsanlagen deklariert haben, werden insbesondere chemische Fabriken regelmäßig inspiziert. Hinzu kommen unangekündigte Verdachtskontrollen, deren Durchführung der Exekutivrat auf Antrag eines Vertragsstaats beschließen kann. Verstöße wurden nie festgestellt.

Die OPCW hat derzeit 500 MitarbeiterInnen, darunter rund 200 Inspekteure. Formal ist die OPCW eine „unabhängige, autonome internationale Organisation“. Doch besteht eine vertraglich geregelte, sehr enge Kooperation mit der UNO. Die 188 Mitgliedstaaten finanzieren das Jahresbudget von derzeit 75 Millionen Euro. Das reicht allerdings nicht für die letzte Woche begonnene Syrien-Mission, die bislang schwierigste und gefährlichste Aufgabe der OPCW.

Der Friedensnobelpreis, so hofft man im Den Haager Hauptquartier, wird dazu beitragen, dass die Mitglieder die für einen Erfolg der Syrien-Mission unerlässlichen Mittel schnell zur Verfügung stellen.

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