Kolumne Die eine Frage: Wird Jürgen Trittin Vizekanzler?

Wahldesaster hin oder her: Falls es zu einer Schwarz-Grünen Koalition kommt, wird Jürgen Trittin Minister im Kabinett Merkel.

Jürgen Trittin, nicht zwingend von gestern Bild: dpa

Es war ein bewegender Moment, als Jürgen Trittin sich in dieser Woche in einem Saal des Reichstags vom Fraktionsvorsitz verabschiedet hat. Das sagen auch Zuhörer, die nicht dick mit ihm sind. Einer der wichtigsten deutschen Politiker nach 1968 zieht sich zurück. Da spürten vor allem die jüngeren Kollegen für einen Augenblick den Hauch der Geschichte, auf die dieser Mann tatsächlich Einfluss genommen hat. Im Parlament und außerhalb.

So was geht. Man muss es nur wollen. Und können.

Das ist die Geschichte seines Lebens, die man sich nach diesem Wahlkampf vielleicht mal wieder klarmachen kann, der nicht nur für Trittin desaströs endete, sondern auch für eine – mich eingeschlossen – wahnsinnig selbstgefällige Gesellschaft, die sich in Nebensächlichkeiten und die Diskussion längst erledigter Punkte verbeißt, um sich damit einen runterzuholen und vor allem zu vermeiden, sich ernsthaft mit der Gegenwart beschäftigen zu müssen. Leute: Seit anno Tobak gibt es einmal in der Woche selbst im Vatikan ein gutes Essen ohne Fleisch.

Während nun die Krokodilstränen getrocknet werden und alles sich schon auf ein Leben nach Trittin eingestellt hat, stellt sich mir die Frage, was passiert, wenn es zu Verhandlungen der Grünen mit der Union kommt und der designierte Verhandlungsführer Trittin sie zu einem glücklichen oder je nach Sichtweise unglücklichen Ende brächte, also einer schwarz-grünen Koalition. Wird Jürgen Trittin dann Vizekanzler? Da lachen die Grünen krachend, wenn man das fragt. Die Antwort ist simpel: Ja, dann wird Jürgen Trittin Minister und sehr wahrscheinlich auch Vizekanzler.

Auf einer Stufe mit Fischer

Es ist unwahrscheinlich, und es wäre die maximale Pointe dieses Wahlkampfs und übrigens auch seines politischen Lebens, wenn der politisch und kulturell identitäre rot-grüne Trittin zusammen mit Merkel die erste schwarz-grüne Regierung dieses Landes anführen würde. Und noch irrer wird es, wenn man mit entsprechendem historischen Bewusstsein davon ausgehen muss, dass er dadurch in den All-Time-Charts nicht mehr eine Stufe unter dem rot-grünen Vizekanzler und Außenminister Joschka Fischer stünde, sondern direkt neben ihm. Fischer hat übrigens bei seinen drei letzten Wahlen 6,7, 8,6 und 8,1 Prozent geholt. Aber das waren andere Zeiten.

Nun hat Trittin und damit die ganze Partei eine Koalition mit der Union immer und eisern ausgeschlossen. Schwarz-Grün hätte keine Stimme im Bundesrat. Es gibt keine vorbereitete Mental-Einstimmung und kein Personal. Doch bei allen objektiv und sachlich richtigen Gründen gegen Schwarz-Grün ist es schon auch interessant, wer sich bei den Grünen vehement dagegen äußert. Es sind auch diejenigen, die seit Jahren für eine Erweiterung der Regierungsoptionen eintreten. Selbst oder gerade die Energiewende tritt in den Hintergrund, wenn am Ende einer derart komplizierten Situation Vizekanzler Trittin steht. Es scheint also unmöglich. Einerseits.

Andererseits kann ich die Menschheit beruhigen. Selbst wenn Trittin und Merkel demnächst gemeinsam die Steuern erhöhen sollten – den Planeten würde es nicht kratzen. Und unsere Fleischzufuhr bliebe auch gesichert.

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Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

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