Ägyptens Pläne für Nordsinai: Alle Tunnel sollen verschwinden

Dutzende Häuser und Hunderte Tunnel hat die Armee an der Grenze zum Gazastreifen schon zerstört. Sie will dort eine Pufferzone gegen Islamisten schaffen.

Tunnel am Gaza-Streifen. Diese will die ägyptische Armee weiter kappen. Bild: ap

KAIRO taz | „Die Armee kam und forderte uns auf, unser Haus zu verlassen. Dann schlossen sie die Türen und sprengten es mit Dynamit in die Luft“, erzählt A. im Telefongespräch mit dieser Zeitung. Er möchte seinen Namen nicht in der Zeitung sehen. Er hat Angst. Sein Haus lag in Rafah, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Grenze zum Gazastreifen.

Dort hat die ägyptische Armee vor zehn Tagen begonnen, auf die gleiche Art ein Dutzend Häuser in die Luft zu jagen und die Reste mit Bulldozern wegzuräumen. Das Ganze wird als ein Testfall gesehen für den Plan der Armee, eine 500 Meter breite und 10 Kilometer lange Pufferzone entlang der Grenze zum Gazastreifen zu schaffen.

Es ist der Versuch des Militärs und der Übergangsregierung in Kairo, den Nordsinai unter Kontrolle zu bekommen, den eine Mischung aus Schmugglern, Kriminellen und militanten Islamisten über die letzten Jahre in ein gesetzloses Gebiet verwandelt haben.

Die militanten Gruppierungen, die in Nordsinai ihr Unwesen treiben, sind allerdings Dschihadisten, die eher der Al-Qaida-Ideologie nahestehen und denen die Muslimbruderschaft in Kairo viel zu moderat ist.

350 Tunnel bereits zerstört

Die Armee behauptet, sie habe 350 Tunnel zwischen dem ägyptischen Nordsinai und dem Gazastreifen bereits zerstört. Damit sollen, so behauptet die Armee, 80 Prozent der unterirdischen Gänge verschüttet worden sein. Besonders nach dem Sturz von Mohammed Mursi waren die Militäroperationen in Rafah vorangetrieben worden.

Tatsächlich verlief ein Tunnel unter seinem Haus, gibt A. zu. Aber er führe weiter ins Landesinnere und sei in über 30 Metern Tiefe gegraben. Er habe keinerlei Kontrolle oder Zugang dazu. Die Idee der Pufferzone könne nicht funktionieren. Denn manche der Tunnel seien über einen Kilometer lang, meint er verärgert.

Die Einwohner Rafahs sind gespalten über die neue Aktion der Armee. Schon immer gab es in der Kleinstadt Profiteure des Schmuggels und solche, die sich nicht daran beteiligt haben und die stattdessen in ihrer Armut weiterlebten. Andere Einkommensquellen als Schmuggel gibt es im Nordsinai so gut wie keine.

„Wir fordern, dass sich die Armee wenigstens mit den betroffenen Hausbewohnern zusammensetzt, sie warnt und ihnen genug Zeit gibt, ihr Hab und Gut aus dem Haus zu schaffen“, sagt Naim Jabr, einer der Koordinatoren der Beduinenstämme.

Beduinen fordern Schadensersatz

Er ist nach Kairo zu kommen, um das Problem mit dem Übergangspremier Hasem al-Beblawi zu besprechen. „Das Ganze sollte gemäß dem Gesetz geschehen, die Tunnelbauer sollten bestraft werden, nicht diejenigen, deren Häuser über den Gängen stehen“, verlangt er. Und er formuliert eine sehr dezente Drohung. „Wenn es keinen Schadenersatz gibt, wird das Ganze nicht gut ausgehen“, warnt er. Die Armee zieht sich darauf zurück, dass es im Sinai keine offiziellen Landtitel gibt. Ein alter Streit zwischen Beduinen und der Zentralregierung in Kairo.

Auch drüben auf der anderen Seite, in Gaza, stößt die neue Politik der ägyptischen Armee naturgemäß auf wenig Gegenliebe. „Die neue Pufferzone wird die Blockade und damit das Leiden der palästinensischen Bevölkerung in Gaza nur verstärken, sagt der dortige Hamas-Sprecher Ehab Ghussein.

Unterdessen gehen die Operationen im Nordsinai weiter. Am Dienstag meldete das Fernsehen, dass 15 militante Islamisten umgekommen seien, als die Armee mit Hubschraubern das Feuer auf Scheich Zuweid eröffnete, eine Kleinstadt bei Rafah. Die Angaben der Armee sind kaum zu überprüfen. Ausländischen wie ägyptischen Journalisten ist der Zugang zum Nordsinai seit Wochen untersagt.

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