Präsentation des 100-Tage-Plans: Der doppelte Steinbrück

„Soziale Gerechtigkeit“ ist der rote Faden: Der SPD-Kanzlerkandidat stellt sein 100-Tage-Programm vor. Erst souverän, dann ziemlich gereizt.

Im Fokus: Peer Steinbrück. Bild: dpa

BERLIN taz | Es passiert nicht oft, dass die bestechenden Stärken und abgründigen Schwächen eines Politikers so überdeutlich sichtbar werden wie bei Peer Steinbrücks Auftritt in der Bundespressekonferenz. Der SPD-Kandidat präsentierte am Donnerstag, was er als Bundeskanzler in den ersten 100 Tagen tun würde.

Ganz oben auf der Agenda stehen der Mindestlohn von 8,50 Euro, der gleiche Lohn für Männer und Frauen, Festangestellte und Leiharbeiter und 850 Euro Mindestrente für alle, die 30 Jahre in die Rentekassen einbezahlt haben oder 40 Jahre versichert waren.

Es ist ein Post-Agenda-Programm. Steinbrück redet präzise, mit wenigen, aber treffsicheren Seitenheiben auf Angela Merkel, die bei Mütterrente oder Lohnuntergrenze eben nur sozialdemokratisch rede, aber faktisch nichts tue. Die Botschaft lautet in großen Lettern „soziale Gerechtigkeit“. Das ist der rote Faden, der Mietpreisbremse und Steuererhöhung für Wohlhabende verknüft.

Es ist oft bemerkt worden, dass Steinbrück zu diesem eher linken Programm nicht passt. Er löst dieses unübersehbare Problem recht elegant, indem er den wirtschaftlichen Nutzen von Mindestlohn oder dem gleichen Lohn für Frauen herausstreicht. Der Mindestlohn spare den Staat elf Milliarden, die derzeit für Aufstocker fällig werden. Und mehr erwerbstätige Frauen brauche man schon wegen der demographischen Entwicklung. „Innovation und Gerechtigkeit“ hieß das 1998 bei Gerhard Schröder.

Fast ohne technokratischen Politsprech

2013 ist die Reihenfolge umgedreht. Die Botschaft ist eindeutig: Steinbrück kann und will, egal wie mies Presse und Umfragen auch sein mögen. Er präsentiert die neun Punkte von der doppelten Staatsbürgerschaft über härte Gangart mit Steuerhinterziehern bis zur Abschaffung des Betreuungsgeldes klar und fast ohne technokratischen Politsprech. „Die Bürger sollen wissen, woran sie mit mir sind“, sagt er. Das ist kein origineller Satz in Wahlkampfzeiten, aber bei Steinbrück hat er gewisse Verve.

Zum Euro sagt Steinbrück, dass es richtig ist, „dass Deutschland für den Zusammenhalt der Eurozone zahlt“. Ja, stimmt, das zu sagen würde Merkel, die Ungefähre, nicht wagen. „Wir sind anstrengender als Merkel, aber auch nicht so langweilig“, so Steinbrück. Der Kandidat scheint im Stadium nach der Verzweiflung angekommen zu sein, an dem Punkt, an dem es nur noch aufwärts gehen kann. Er hat etwas Unerschrockenes. Das macht immer Eindruck.

Allerdings gibt es Steinbrück an diesem Vormittag doppelt: Von der Souveränität des Vortrags bleibt wenig, wenn ihm jemand in die Parade fährt. Die Journalistenfragen sind zwar eher gedämpft kritisch. Doch Steinbrück reagiert rasch pampig. Die recht nette Frage, ob er sich an die Rolle des Kanzlers erst noch gewöhnen müsse, antworte er barsch: „Ich muss nicht üben“.

Auf eine Nachfrage zum Steuerkonzept: „Mehr kann ich dazu nicht sagen.“ Steinbrück ist wie ein Vexierbild: klug, wenn er alleine glänzen kann – reizbar, machohaft, herablassend, wenn er erklären, begründen, rechtfertigen soll. Nicht einfach für jemand, der Kanzler werden will.

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