Kommentar Vergewaltigung in Dubai: Gerettet, weil sie mutig war

In Dubai wurde eine Norwegerin vergewaltigt und sollte dafür ins Gefängnis. Das zeigt, dass Frauen ihre Rechte immer noch einforden müssen – weltweit.

Klare Geschlechterunterschiede: Dubai ist in allem nicht so modern, wie es sich gibt. Bild: ap

Weltweit überlegen Frauen und Männer drei- bis hundertmal, ob sie nach einer Vergewaltigung zur Polizei gehen sollen. Weltweit entscheiden sich Frauen und Männer häufig dagegen – und vergegenwärtigt man sich die Schlammschlachten, die solche Anzeigen auslösen, dann versteht man die Zurückhaltung. Sich gegen Vergewaltiger zu wehren, erfordert Mut, auch im 21. Jahrhundert, auch in Europa.

Als Frau in Dubai darauf zu bestehen, dass die selbst erlittene Vergewaltigung ein Verbrechen ist, und zwar seitens des Vergewaltigers, ist so mutig, dass die geneigte Zeitungsleserin sich verblüfft fragt, ob da nicht sehr viel Naivität im Spiel war. Und sich sofort schämt, denn genau dieser vorauseilende Zynismus hätte es nicht ermöglicht, dass die Öffentlichkeit sich wieder mal daran erinnert, dass Frauen ihre Rechte als Bürgerinnen erkämpfen mussten – und in dem nur scheinbar so modernen Dubai noch erkämpfen müssen.

Es ist eine glückliche Verquickung, dass eine junge Frau, die in einem der emanzipiertesten Länder Europas sozialisiert wurde, selbstverständlich ihr Recht auch in einem Land einfordert, das in Sachen Menschenrechten zu den rückständigsten zählt. Und das ist notwendig.

Nur weil Marte Dalelv offenbar keine Sekunde darüber nachdachte, ob sie etwas falsch gemacht hat, und weil sie auf die Unterstützung der norwegischen Regierung zählen konnte, ist sie dem Unrechtsstaat entkommen und schafft Öffentlichkeit für eine riesige Schweinerei.

Den Dubaierinnen indessen wird das erst mal nicht helfen. Niemand wird wegen einer renitenten Norwegerin die Gesetze ändern. Da muss schon mehr passieren. Zum Beispiel könnte die westliche Geschäftswelt diese Geschichte zum Anlass nehmen, allen Businesspartnern klarzumachen, dass sie Gewaltanwendung gegenüber Mitarbeiterinnen nicht als Kleinigkeit betrachtet, nach dem Motto: andere Länder, andere Sitten.

Die Aussicht, Aufträge zu verlieren, könnte das geschäftstüchtige Dubai dazu bewegen, sich bei der Zivilisierung etwas zu beeilen, wovon auch die westliche Businesswelt profitierte. Auch sie ist ja nicht frei von tief eingewurzeltem Sexismus, auch ihr täte ein offensives Bekenntnis zu Frauenrechten gut.

Gleichwohl sind die Unterschiede eklatant: Zwischen dem routinierten Gang ins Bordell auf Firmenkosten und der Verurteilung von Frauen, wenn sie vergewaltigt wurden, liegen Welten.

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leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.

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