Bewegungsdaten von Mobiltelefonen: Individueller als der Fingerabdruck

MIT-Forscher stellen fest: Alleine mit wenigen Angaben zu Ort und Zeitpunkt aus den Bewegungsdaten sind Mobilfunk-Nutzer erkennbar.

Bei der Navigation wird es ohne Standortdaten schwer – doch woanders kann der Nutzer sie getrost abschalten. Bild: reuters

BERLIN taz | Handynutzer lassen sich anhand der Standortdaten deutlich einfacher identifizieren als über ihren Fingerabdruck. Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschergruppe unter anderem mit Wissenschaftlern der Harvard-Universität und des Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Demnach seien nur vier zufällig ausgewählte Punkte zu Ort und Zeit notwendig, um 95 Prozent der Nutzer zu identifizieren. Mit höchstens elf Ort-Zeit-Informationen gelinge das für jeden Nutzer. Um Fingerabdrücke sicher zu unterscheiden, seien immerhin 12 Punkte notwendig.

Die Wissenschaftler haben Standortdaten von 1,5 Millionen Nutzern und einen Zeitraum von 15 Monaten ausgewertet und dabei eine Formel für die Einzigartigkeit der Bewegungsspuren entwickelt. Weil schon wenige Daten für eine Identifizierung ausreichen, kommen die Forscher zu dem Schluss, dass auch grobe Datensätze kaum Anonymität bieten. „Bewegungsdaten gehören zu den sensibelsten Informationen“, schreiben die Forscher und warnen: Es gebe Orte, an denen Personen vermutlich lieber unerkannt wären. In einer bestimmten Kirche etwa oder in einer Abtreibungsklinik.

„Das ist schlimmer, als wir angenommen haben“, kommentiert Werner Hülsmann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung die Ergebnisse. Dass ein komplettes Bewegungsprofil eine Person identifizierbar mache, habe er erwartet, dass aber vier Ort-Zeit-Punkte ausreichten, sei „erschreckend“.

Nicht nur Mobilfunkbetreiber

Bewegungsdaten liegen nicht nur den Mobilfunkbetreibern vor. Auch Anbieter von Apps und Betriebssystemen erheben sie. Wie wertvoll die Bewegungsdaten sind, zeigt ein Projekt des Mobilfunkkonzerns Telefónica: Im Herbst letzten Jahres kamen Pläne ans Licht, nach denen das Unternehmen die Standortdaten der Nutzer vermarkten will. So könnten etwa Vermieter von Werbetafeln Informationen darüber erhalten, wie viele Nutzer die Plakate passieren und wie lange sie möglicherweise davor ausharren.

Während Telefónica betonte, die Daten sollten „vollständig anonymisiert“ genutzt werden, kritisierten Datenschützer schon damals, dass Bewegungsdaten kaum anonym sein können. Die Studie bestätigt diese Auffassung nun. Nach Protesten von Verbrauchern und Datenschützen kündigte O2 – die deutsche Tochter von Telefónica – an, auf die Vermarktung von Daten deutscher Kunden zu verzichten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.