Wohnungsräumung in Berlin Kreuzberg: Die Miet-Rebellen

Ali Gülbol wohnte sein Leben lang in der Lausitzer Straße 8 im Berliner Stadtteil Kreuzberg, seit 22 Jahren mit Frau und Kindern. Bis jetzt.

Auch die Blockade brachte nichts – Familie Gülbol wurde aus dem Haus in Berlin Kreuzberg geräumt. Bild: dpa

BERLIN taz | Ali Gülbol erscheint gern zu offiziellen Terminen wie Pressekonferenzen in seiner Arbeitskleidung. Und auch, wenn die Journalisten viele Dinge von ihm wissen wollen, lässt sich der 41-jährige Malermeister nicht aus der Ruhe bringen. Und sagt einen seiner stolzen Sätze: „Es ist mir wichtig, offen zu sein.“

Ali Gülbol wohnte sein Leben lang in der Lausitzer Straße 8 im Berliner Stadtteil Kreuzberg, seit 22 Jahren mit Frau und Kindern. Doch am Mittwoch musste er die Schlüssel zu seiner Wohnung abgeben. Als das Haus vor Jahren verkauft und die Mieten erhöht wurden, da klagten die Gülbols, verloren und zahlten die Nachforderungen zu spät.

Schon im Sommer sollten sie die Wohnung räumen. Sie weigerten sich, suchten Unterstützung, unter anderem bei der Initiative „Zwangsräumung verhindern“. Die Presse wurde auf die Gülbols aufmerksam, sie wurden zum Symbol für den Kampf gegen steigende Mieten.

Es frisst an der Familie

Ali, Necmiye und ihre Kinder Aylin, Akim und Amir haben es sich nicht leicht gemacht mit ihrer Entscheidung, ihre Sache an die große Glocke zu hängen. Denn sie frisst an der Familie. Manchmal erinnert sich Ali Gülbol daran, wie sie früher lebten, im Kreuzberg der Achtziger, als der Vater, der aus der Türkei kam, auf dem Bau schuftete und Ali mit drei Brüdern in einem Bett schlief.

Er sorgt sich, dass der Aufstieg seiner Familie kippen könnte. Aber dann erinnert er sich an die Leute, die im selben Kreuzberg der Achtziger die schäbigen Häuser besetzten. Diese Leute, findet er, waren nicht anders als die Demonstranten von heute.

Den Kiez geprägt

Ali Gülbol hat keine Lust, den Kopf einzuziehen. „Wir hätten das Ganze auch still und leise mit uns machen lassen können“, sagt er. Nur: Das machen so viele, in Berlin bis zu 3.000 im letzten Jahr.

Zu denen will Ali Gülbol nicht gehören. Er will ein Zeichen setzen, denn er weiß, dass seit Jahren in Berlin viele verdrängt werden, die ihren Kiez geprägt haben.

Nun weiß Ali Gülbol noch nicht, wie es weitergehen soll, denn im Moment leben die Gülbols bei den Großeltern, ein Stockwerk über der alten Wohnung, es ist zu eng. Als er gestern nach der Schlüsselübergabe vors Haus trat, da wirkte er gelassen wie immer. Er konnte zu vielen Menschen sprechen. Es hat sich gelohnt. Trotzdem.

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