Kommentar Organspende: Neuanfang geht anders

Das neue Gesetz soll die Bereitschaft zur Organspende steigern, doch das Gegenteil ist der Fall. Die Zahl der möglichen Spenden ist ohnehin begrenzt.

Der 1. November sollte ein Tag des Neuanfangs sein für die Organspende. Mit dem neuen Transplantationsgesetz, so die Hoffnung, würden sich die Bürger, weil erstmals aktiv angesprochen, Gedanken machen, was mit ihrem Körper nach dem Tod geschehen soll – und sich zur Organspende bekennen.

Das Gegenteil ist der Fall. Erneut hat die Spendenbereitschaft drastisch abgenommen. Die Verunsicherung, ausgelöst durch die Skandale um Organhandel, ist nur ein Grund. Ebenso schwer wiegt der Vertrauensverlust, den ausgerechnet die Organisation zu verantworten hat, die die Organspenden koordiniert: Die Stiftung Organtransplantation ist seit einem Jahr selbst in den Schlagzeilen – nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft und der Geldverschwendung gegen ihren Vorstand sanken die Zahlen ebenfalls.

Das ist nicht alles. Es ist ein Irrglaube, Organspenden ließen sich beliebig steigern. Die Zahl der Hirntoten ist begrenzt: Es gibt – Gurten und Helmen sei Dank – weniger Verkehrstote. Andere potenzielle Spender, Stichwort Patientenverfügung, landen erst gar nicht auf den Intensivstationen. Oder sie scheiden aus, weil ihre Organe zum Verpflanzen zu krank sind.

Und die gelobten Länder Spanien, Kroatien, USA? Wieso sind ihre Zahlen besser? Ganz einfach: Bei ihnen gilt die Widerspruchslösung. Jeder, der zu Lebzeiten nicht aktiv widersprochen hat, ist Organspender. Und: Erlaubt ist dort auch die Organentnahme nach Herz-Kreislauf-Stillstand; mitunter gehen die Organkoordinatoren gleich mit in die Notaufnahme, um potenzielle Spender zu identifizieren. Mancherorts darf zehn Minuten nach dem Herzstillstand entnommen werden – in Deutschland wird zu diesem Zeitpunkt oft noch reanimiert.

Politiker, die solche Tabubrüche auch hierzulande legalisieren wollen, sollten sich dazu bekennen. Das wäre ehrlicher, als der Bevölkerung permanent ein schlechtes Gewissen einzureden ob deren vermeintlich mangelnder Spendebereitschaft.

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Heike Haarhoff beschäftigt sich mit Gesundheitspolitik und Medizinthemen. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Kinderheim bei Paris ab 1989 Studium der Journalistik und Politikwissenschaften an den Universitäten Dortmund und Marseille, Volontariat beim Hellweger Anzeiger in Unna. Praktika bei dpa, AFP, Westfälische Rundschau, Neue Rhein Zeitung, Lyon Figaro, Radio Monte Carlo, Midi Libre. Bei der taz ab 1995 Redakteurin für Stadtentwicklung in Hamburg, 1998 Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und von 1999 bis 2010 politische Reporterin. Rechercheaufenthalte in Chile (IJP) und den USA (John McCloy Fellowship), als Stipendiatin der Fazit-Stiftung neun Monate Schülerin der Fondation Journalistes en Europe (Paris). Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis der Bundesarchitektenkammer (2001), dem Frans-Vink-Preis für Journalismus in Europa (2002) und dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse (2013). Derzeit Teilnehmerin am Journalistenkolleg "Tauchgänge in die Wissenschaft" der Robert Bosch Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

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