Prekäre Hochschul-Jobs: Die Kehrseite der Exzellenz

Die befristeten Beschäftigungsverhältnisse im Mittelbau der Universität Bremen betreffen vor allem Frauen.

Exzellenz-Ehrung im Rathaus. Nicht im Bild: die prekär beschäftigten WissenschaftlerInnen. Bild: Senatspressestelle

BREMEN taz | „Exzellent“ ist die Bremer Universität, bundesweit eine von nur elf Hochschulen, die dieses Prädikat von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Wissenschaftsrat verliehen bekommen haben. Der für fünf Jahre verliehene Titel bringt 100 Millionen Euro ein. Für diesen Erfolg lobte Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) am Mittwoch ausgewählte WissenschaftlerInnen bei einem Empfang im Bremer Rathaus.

Nun trübt die Fraktion der Linken das Bild mit einer Statistik zu prekären Beschäftigungsverhältnissen an der Exzellenz-Uni: Danach bekamen im Jahr 2011 von 648 neu Eingestellten nur 44 eine unbefristete Stelle und von diesen gingen nur elf an wissenschaftliche MitarbeiterInnen, die anderen an Professoren und sonstige Beschäftigte.

100 bekamen eine bis zu einem Jahr befristete Stelle, weitere 353 eine, die nach drei Jahren wieder ausläuft. Hier handelte es sich hingegen fast ausschließlich um wissenschaftliche MitarbeiterInnen. Insgesamt arbeiteten nach Angaben der Universität im vergangenen Jahr 1.593 Menschen im akademischen Mittelbau ohne die Sicherheit einer unbefristeten Stelle. Diesen Luxus genossen nur 340 Personen.

Die Fraktion der Linken in der Bremischen Bürgerschaft, die die Zahlen beim Bremer Senat angefordert hatte, setzt diese ins Verhältnis zum Jahr 2002: Damals arbeiteten rund 400 Menschen weniger im Mittelbau. Aber fast alle dieser neu hinzugekommenen Stellen sind temporärer Natur. Dies wirft auch ein neues Licht auf die Erhöhung des Frauenanteils in der Wissenschaft an der Bremer Universität: Im Mittelbau lag dieser im Jahr 2010 bei 40 Prozent, im Vergleich zu 32 Prozent im Jahr 2001.

In Niedersachsen waren 2011 gut 24 Prozent der 3.500 Professuren mit Frauen besetzt. Beim wissenschaftlichen und künstlerischen Personal machten Frauen 40 Prozent aus, bei den Hilfskräften fast 55 Prozent.

Die Uni Göttingen hat zwischen 2006 und 2011 Personal aufgebaut: von 4.037 auf 5.031 Beschäftigte. Der Frauenanteil verharrte knapp unter 50 Prozent - von 43 auf 48 Prozent gestiegen ist er aber unter den Drittmittel- und Sonderbeschäftigten, deren Anzahl sich auf 1.640 mehr als verdoppelte. Von 305 Professuren waren 2006 nur 57 mit Frauen besetzt, 2011 waren es 91 von 355.

An der Uni Hamburg hatten 2010 82 Prozent der rund 3.500 wissenschaftlichen Mitarbeiter befristete Verträge, davon waren 47,5 Prozent Frauen. 2011 waren 89 Prozent der Verträge befristet.

Frauen werden also häufiger eingestellt – bekommen aber nur noch befristete Verträge. „Eine weibliche Schlagseite“ habe diese „Negativentwicklung“, sagt dazu die Fraktionsvorsitzende der Bremer Linken, Kristina Vogt. „Der zunehmend weibliche Anteil unter Lehrenden und Forschenden geht mit einer Prekarisierung des Beschäftigungssektors ,Hochschule‘ einher.“ Vogt beklagt, dass Männer im akademischen Mittelbau zwei Drittel der Vollzeit-Stellen besetzen.

Verantwortlich für die Entwicklung ist die Tatsache, dass die Hochschulen zunehmend eigene Mittel durch sogenannte Dritt- und Sondermittel ergänzen müssen. Diese werden von Unternehmen und Forschungsverbünden gegeben und sind auf den Zeitraum des jeweiligen Projekts befristet. Doch während viele der Vorhaben auf einen längeren Zeitraum angelegt und finanziell abgesichert sind, werden mit den ProjektmitarbeiterInnen kürzere Verträge geschlossen.

Dies will die Bremer Universität ändern: Im Mai vereinbarte der Rektor mit dem Personalrat, dass Arbeitsverträge aufgrund von Drittmitteln für die Dauer der Projektlaufzeit oder der vorhandenen Personalmittel abgeschlossen werden müssen. Wer davon abweichen will, müsse dies in Zukunft begründen. Und wen die Universität aus eigenen Mitteln anstellt, der soll mindestens einen Vertrag über drei Jahre bekommen.

Der Bremer Senat sagte zu dem Thema, er sei „sich bewusst, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse die Lebensplanung der Beschäftigten erschweren können“. Befristete Arbeitsverhältnisse könnten aber „ein wichtiges Instrument der Nachwuchsförderung darstellen“.

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