Gesucht: Pädagogen für Ganztags-Schulen: Erzieherin kann jeder

Nur mit Mühe konnte man 700 ErzieherInnen für die neuen Ganztagsgrundschulen finden. Viele von ihnen haben keine formale Qualifikation.

Klar, in die Erzieher-Ausbildung muss investiert werden. Aber es passiert nicht. Bild: dpa

Die Hamburger Hortreform schreitet voran. 39 weitere Grundschulen bieten seit diesem Schuljahr auch Ganztägige Bildung und Betreuung (GBS) an. Somit nehmen über 7.200 Schüler an mittlerweile 63 Standorten an der kostenlosen Nachmittagsbetreuung teil. Was dabei kaum beachtet wird: Aus der Sicht der Beschäftigten entstehen hier keine tollen Jobs.

„Weil die GBS nur am Nachmittag stattfindet, gibt es meist nur Verträge mit 20 Stunden“, berichtet Jens Kastner von der GEW-Fachgruppe Kinder- und Jugendhilfe. Zudem seien die KollegInnen, die allein für 23 Kinder zuständig seien, „in feste Zeitstrukturen gepresst“ und „vereinzelter“ als in den alten Schulkinderhorten der Kindertagesstätten.

Keine große Verlockung für eine Berufsgruppe, die in Hamburg gefragt ist wie nie. Zieht man alle Pläne der Stadt zusammen, so werden 2013 etwa 1.000 Erzieher gebraucht. Denn der Krippenausbau, die Personalverstärkung von Kitas in sozialen Brennpunkten und die Schaffung weiterer rund 70 GBS-Schulen erfordern viel Personal. Dem stehen aber nur rund 580 Bewerber gegenüber, die 2013 die Fachschulen verlassen. „Die Stadt hat noch keine schlüssige Planung, wie sie dem steigenden Bedarf gerecht werden kann“, sagt Sabine Kümmerle vom Wohlfahrtsverband „Soal“. Der jugendpolitische Sprecher der Linken, Mehmet Yildiz, sieht gar den geplanten Kita-Ausbau in Gefahr.

Er befürchtet zudem, dass sich ein bereits existierender Trend verschärft. So wurden 55 der rund 700 GBS-Erzieherstellen mit „Berufsfremden“ besetzt. 24 von ihnen sind Hochschulabsolventen, teils mit pädagogischem Studium, teils „mit praktischer Erfahrung im pädagogischen Bereich“, wie die Sozialbehörde schreibt. Weitere 25 waren Bewerber mit einer „fachfremden Berufsausbildung“ und besagter „praktischer Erfahrung“. Die übrigen sechs hatten „andere Voraussetzungen“.

All diese „Quereinsteiger“ wurden einzeln überprüft und teils mit Auflagen für Fortbildungen oder Befristungen der Verträge belegt. Doch für die Zukunft arbeitet die Sozialbehörde an einer Liste anerkannter Berufsgruppen, für die keine Einzelfallgenehmigung eingeholt werden muss.

Martin Peters vom Paritätischen Wohlfahrtsverband sieht auch Vorteile in einer Mischung der Professionen. Stelle eine GBS Sportpädagogen oder Lehramtsabsolventen mit dem ersten Staatsexamen ein, entspreche dies den Vorstellungen eines „multiprofessionellen, vielfältigen und qualitativen Angebots“, sagt er. „Davon profitieren auch Hamburgs Kinder.“

Der Erzieherberuf setze nicht ohne Grund für Haupt- und Realschulabgänger eine fünfjährige Ausbildung voraus, hält Mehmet Yildiz dagegen. „Man kann nicht sagen: Erzieher kann jeder“. Die Kinder brauchten pädagogische Fachkräfte als feste Bezugspersonen, „die wissen, wie Kinder sich entwickeln und welche Bedürfnisse sie haben“. Der Senat müsse den Erzieherberuf attraktiver gestalten und eine Bezahlung nach Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes ermöglichen.

„Das Geld, dass die Stadt pro Kind in der GBS zahlt, reicht nicht mal aus, um eine berufserfahrene Erzieherin nach diesem Tarif zu bezahlen“, ergänzt Jens Kaster. Dies gehe nur, wenn der Träger das „pädagogische Budget“ für Honorarkräfte von rund 7.500 Euro pro Jahr und Gruppe anzapfe. Das ist aber eigentlich dafür gedacht, den Personalschlüssel von einen Erzieher für 23 Kinder aufzubessern.

Kastner fordert kreative Lösungen, damit mehr Vollzeitstellen entstehen. So könne man auch Kitas an Schulen ansiedeln, die sich vormittags als Ergänzungs-Arbeitsplatz anböten.

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