Italienischer Meister Juventus Turin: Über das Purgatorium ins Paradies

Sechs Jahre nach dem Calciopoli-Skandal ist Juventus Turin wieder italienischer Meister. Die Demütigung über die Aberkennung zweier Titel ist noch präsent.

Es muss Liebe sein: Juventus-Fans im Glück. Bild: reuters

BERLIN taz | Ungeschlagen holt sich Juventus Turin einen Spieltag vor Schluss den Titel in der Serie A und hat damit erstmals seit 2003 wieder rechtmäßig den Scudetto in seinem Besitz. Inter Mailand bahnte den Turinern mit einem 4:2 im dramatischen Derby gegen den AC Mailand den Weg. Juventus selbst bewältigte stolperfrei die Auswärtsaufgabe in Triest. Dorthin war Gegner Cagliari wegen baulicher Probleme des eigenen Stadions exiliert.

Der Titeltriumph löste heftige Reaktionen aus. „Das kommt gleich nach dem WM-Titel 2006“, versicherte Gianluca Buffon. Der Goalie war vor allem erleichtert, dass ihm kein weiterer Lapsus unterlaufen war wie jener, der am Mittwoch zum Ausgleich von Lecce geführt und Milan wieder in Schlagdistanz gebracht hatte. Als er am Sonntag den ersten Rückpass sicher aufnahm, ging ein Aufatmen durch die Reihen der in den äußersten Nordosten gereisten Juve-Fans.

Ihre Lieblinge lagen da schon 1:0 vorn. Die Sicherheit des 2:0 bescherte ein Eigentor von Cagliari. Nach Abpfiff war kein Halten mehr. Fans stürmten das Spielfeld. Sie sangen „Die Meister von Italien, das sind wir!“ und hielten Schilder mit der Aufschrift „30“ hoch. So viele Titel rechnen sie ihrem Verein zu – und schließen damit die vom Sportgericht aberkannten Erfolge ein.

Ins Herz getroffen

Bezugsgröße der Meisterschaft 2012 bleibt auch für Spieler und Funktionäre eindeutig der Calciopoli-Skandal. „Aus der Hölle sind wir ins Paradies zurückgekehrt“, meinte etwa Sportdirektor Giuseppe Marotta und erläuterte: „Das Jahr 2006 hat diesen Verein ins Herz getroffen. Wir sind in die Hölle gefallen, haben danach das Purgatorium passiert und sind jetzt ins Paradies aufgestiegen.“

Der Skandal 2006 war durch mittlerweile gerichtlich erwiesene Schiedsrichterbestechungen von Marottas Vorgänger Luciano Moggi ausgelöst worden und gipfelte in der Aberkennung zweier Meistertitel und dem Zwangsabstieg in die Serie B.

Sechs Jahre dauerte demnach der Reinigungsprozess im Fegefeuer. Das war länger als erwartet. Denn nach dem unmittelbaren Wiederaufstieg hatten die Bianconeri gehofft, dass sie ohne die Belastungen im internationalen Wettbewerb gleich wieder an die Spitze vorstoßen könnten. Doch der Kader war alt und satt. Der Grimm über die sportjuristische Demütigung reichte als Treibstoff nicht aus. Und Claudio Ranieri war kein Trainer, der ein Projekt entwickeln konnte.

Der Mann mit dem Hammer

Mehrere Irrtümer später übernahm mit Antonio Conte endlich einer das Ruder, der über Stallgeruch – und damit Respekt bei den Spielern verfügte, klare Vorstellungen eines taktischen und athletischen Programms hatte und auch den Mumm besaß, es gegen Widerstände im Kader durchzusetzen.

Der „Mann mit dem Hammer“ schmiedete die Mannschaft zu einer Einheit. „Heute haben die Spieler von Juventus einen ausgeprägten Sinn für die Arbeit“, konstatierte Marotta. Der Erfolg – ungeschlagen sowohl in der Meisterschaft als auch im nationalen Pokal – wäre aber ohne Andrea Pirlo nicht möglich gewesen.

Der von Milan ausgemusterte Regisseur erhöhte die Qualität des Passspiels. Dank eines massierten 5-Mann-Mittelfelds war er störendem Forechecking der Gegner weniger heftig ausgesetzt und konnte so seine Stärken besser zur Geltung bringen. Jetzt wartet Italien darauf, dass dieses Team auch in Europa von Sieg zu Sieg eilt. Dazu fehlt ihm allerdings noch ein Torjäger.

Ob der Verein das Trauma von 2006 tatsächlich überwunden hat, wird sich bei einem Detail an der Kleidung zeigen. Erhält die Aufflockabteilung die Anweisung, einen dritten Stern aufs Trikot zu pappen, der für 30 Titel stünde, oder hält man sich an die offizielle Zählung? Bislang gab sich auch Präsident Agnelli immer wieder dem süßen Traum der drei Sterne hin. Vielleicht muss der eine oder andere doch wieder zurück ins Fegefeuer.

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