Urteil zu Polizeigewalt: Blaues Auge für Polizisten

Die beiden Polizisten, die 2009 den "Mann in Blau" verprügelten, sind zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Am Ende kam es im Prozess zu einer verbalen Entgleisung.

Faustschlag ins Gesicht: Polizist gegen Oliver H. Bild: Screenshot Youtube

Oliver H. trug ein blaues T-Shirt, als er auf der „Freiheit statt Angst“-Demo am Potsdamer Platz von zwei Polizisten verprügelt wurde. Zweieinhalb Jahre ist das nun her, als „Mann in Blau“ wurde er zum symbolhaften Opfer von Polizeigewalt. Am Montag nun wurden die beiden angeklagten Polizeibeamten zu einer Geldstrafe verurteilt. Wegen Körperverletzung im Amt müssen sie jeweils 120 Tagessätze à 50 Euro zahlen, urteilte das Amtsgericht Tiergarten. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht.

Die Verteidiger der Angeklagten, die auf Freispruch plädiert hatten, wollten der taz nicht sagen, ob sie beabsichtigen, Rechtsmittel einzulegen. Auch sonst wollten sie das Urteil nicht kommentieren. Rechtsanwalt Johannes Eisenberg, der Oliver H. als Nebenkläger vertritt, bezeichnete das Urteil hingegen als „grotesk“. Es sei inakzeptabel, dass die Polizisten nicht wegen einer gemeinschaftlich begangenen Tat verurteilt wurden. Er vermute, dass sie Rechtsmittel einlegen, so Eisenberg. Dann werde er das auch tun. Gut möglich also, dass vor dem Landgericht erneut verhandelt wird.

Die Tat an sich ist unstrittig. Das liegt an einem Video, das gleich nach der Demonstration am 12. September 2009 auf YouTube veröffentlicht wurde. Deshalb bekam der Vorfall überhaupt diese Aufmerksamkeit. Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie H. sein Fahrrad schiebt und einen Polizisten nach seiner Dienstnummer fragt, nachdem er von ihm geschubst worden ist. Kurz drauf zerrt einer der angeklagten Polizisten H. zu Boden und schlägt ihn, der andere Polizist haut ihm zweimal mit der Faust ins Gesicht. Ober- und Unterlippe werden eingerissen, die Folgen der Verletzungen spürt H. bis heute.

Als das Video bekannt wurde, hieß es fälschlicherweise von der Polizei, H. habe zuvor Widerstand geleistet. Vor Gericht musste er erstreiten, dass der damalige Polizeipräsident das nicht weiter behaupten durfte. Alle Verfahren gegen den heute 40-jährigen promovierten Biologen sind längst eingestellt.

Die Staatsanwaltschaft hatte für beide Angeklagte sechs Monate Haft auf Bewährung gefordert. Die Gewaltanwendung sei „völlig überzogen“ gewesen. Die Verteidiger hingegen betonten, die Polizisten hätten rechtmäßig gehandelt: H. habe ja ihren Anordnungen keine Folge geleistet.

Am Ende ein Nazivergleich

Dem widersprach Richterin Karin Miller in der Urteilsbegründung heftig. Die Demonstration sei friedlich gewesen, besucht von ganz normalen Leuten. Gewalt sei in einer solchen Situation durch nichts zu rechtfertigen, selbst wenn H. provoziert habe. „Wenn man einem polizeilichen Platzverweis nicht nachkommt, ist das kein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“, so Miller. Dass die beiden Polizisten gemeinschaftlich handelten, vermochte die Richterin allerdings nicht zu sagen: „Das ist halt nicht zu beweisen.“

Es hat lange gedauert, bis gegen die beiden Polizisten Anklage erhoben wurde. Auch die Hauptverhandlung hat sich lange hingezogen. Die acht Prozesstage waren geprägt von harten verbalen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Verteidigern und Nebenklägervertreter Eisenberg. Am Tag der Urteilsverkündung gipfelte der Streit in einem Nazivergleich von Verteidiger Rüdiger Portius. Der beschuldigte Eisenberg, in „menschenverachtender Weise“ Stimmung zu machen, „wie sie im Dritten Reich bei Freisler üblich war“. Roland Freisler war Präsident des NS-Volksgerichtshofs. Richterin Miller bezeichnete die Hauptverhandlung als „eine der unangenehmsten, die ich in meinen 29 Jahren als Richterin erlebt habe“.

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