Beginn des Weltsozialforums: Jenseits der Green Economy

In Porto Alegre beginnt das Weltsozialforum. Die Globalisierungskritiker bereiten sich auf die UN-Umweltkonferenz Rio+20 im Juni vor.

Globalisierter Protest: Auftaktdemonstration des Weltsozialforums. Bild: dapd

PORTO ALEGRE taz | Allen Unkenrufen zum Trotz: In Südbrasilien zeigt sich die Weltbürgerbewegung in guter Verfassung. Elf Jahre nach dem ersten Weltsozialforum sind wieder Tausende nach Porto Alegre geströmt, um unter dem Motto "Kapitalistische Krise, soziale und ökologische Gerechtigkeit" über Auswege aus der viel beschworenen Zivilisationskrise nachzudenken.

Am Dienstagnachmittag zogen tausende überwiegend brasilianische AktivistInnen in der traditionellen Auftaktdemo durch die Innenstadt. Das Weltsozialforum versteht sich als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos.

Da das Forum als Großveranstaltung seit 2005 im Zweijahresrhythmus stattfindet, werden diesmal "nur" um die 30.000 TeilnehmerInnen erwartet. Viele der gut 900 Seminare, Workshops und Podiumsdiskussionen wurden zudem in die von der Arbeiterpartei PT regierten Nachbarstädte Canoas, São Leopoldo und Novo Hamburgo ausgelagert - der Kommunalwahlkampf wirft seine Schatten voraus.

Weltwirtschaftsordnung mit grünem Anstrich

Inhaltlicher Schwerpunkt des "Thematischen Sozialforums" ist die Vorbereitung auf den UN-Umweltgipfel Rio+20, zu dem im Juni zahlreiche Staatschefs in Rio de Janeiro erwartet werden. Gastgeberin Dilma Rousseff will dabei - wo es hauptsächlich um den Klimawandel gehen wird - möglichst nichts dem Zufall überlassen und die kritische Basis so weit wie möglich einbinden. Daher kommt die Präsidentin mit einer ganzen Ministerriege nach Porto Alegre, um für ihre Linie zu werben - ganz im Stil ihres Vorgängers Lula da Silva.

In Zeiten der Weltwirtschaftskrise müsse es in Rio auch um ökonomische und soziale Fragen gehen, meint Rousseff. Sie preist den sozialdemokratischen Kurs der südamerikanischen Mitte-links-Regierungen, die auf die Stärkung der Binnennachfrage setzen, als Alternative zu den neoliberalen Rezepten in Europa oder Nordamerika.

In Brasilien erfreut sich dieser mit Sozialprogrammen abgefederte Kapitalismus hoher Beliebtheit. Kritiker von Rousseffs reformistischen Wachstumskurs bemängeln allerdings, sie wolle ihre eigenen Umweltsünden verschleiern: den Bau des Großstaudamms Belo Monte in Amazonien, die drohende Aufweichung des Waldgesetzes oder die Lockerung der Umweltauflagen für Großprojekte.

Im Juni wollen die Globalisierungskritiker den Regierenden mit einem "Gipfel der Völker" Dampf machen, den sie jetzt in Porto Alegre vorbereiten. In ihrer Skepsis sehen sie sich durch den kürzlich veröffentlichten Entwurf zur Rio+20-Abschlusserklärung bestätigt. Geprägt sei diese von den "Vorstellungen des privaten Sektors, der das heutige Wirtschaftssystem nicht hinterfragt", sagt die brasilianische Soziologin Iara Pietricovsky. "Die viel gepriesene Green Economy ist nichts anderes als ein grüner Anstrich der Weltwirtschaftsordnung", schimpft Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungsdienst.

"In Rio werden die sozialen Bewegungen zeigen, dass sie Vorschläge haben, die sowohl quer zum klassischen Wachstums- und Entwicklungsmodell als auch quer zur Green Economy liegen", gibt sich Silke Helfrich, die auf dem Weltsozialforum eine der "strategischen" Arbeitsgruppen leitet, zuversichtlich. Beim Versuch, "die traditionelle Blindheit linker Kräfte für ökologische Fragen zu überwinden, erkunden die Aktivisten neue Paradigmen im Bezug auf Lebens- und Produktionsmodelle", fasst Kathrin Buhl von der Rosa-Luxemburg-Stiftung zusammen, die der Linkspartei nahesteht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.