Das Krisenglossar Teil 11: Finanztransaktionssteuer

Mittlerweile fordern sie fast alle. Doch bevor die Steuer eingeführt werden kann, müssen Hürden genommen werden. Die taz stellt die wichtigsten Vokabeln der Finanzkrise vor.

Attac weiß, wie man seine Forderungen medienwirksam stellt Bild: dapd / Mario Vedder

Den Begriff "Finanztransaktionssteuer" versteht man leicht, wenn man ihn in seine drei Bestandteile zerlegt:

"Steuern" sind Gelder, die man an eine öffentlich-rechtliche Einrichtung zahlen muss, wenn man einen bestimmten Tatbestand erfüllt. Logisch: Hundesteuer bezahle ich dem Staat, wenn ich einen Hund habe.

"Transaktionen" sind Geschäfte bestehend aus Leistung und Gegenleistung. Auch logisch: Ich gebe Hans 50 Euro, er gibt mir dafür ein Handy.

"Finanz" heißt einfach, dass es ums Geld geht. Ich bekomme von Hans also kein Handy für meine 50 Euro, sondern zum Beispiel 60 Schweizer Franken oder die Aktien einer bestimmten Firma.

Eine Finanztransaktionssteuer wäre also eine Abgabe, die man an die öffentliche Hand zahlen muss, wenn man Geld gibt und im Gegenzug auch wieder Geld oder das Versprechen auf Geld erhält.

Nehmen wir beispielsweise an, es würde ein Steuersatz von einer Promille, also einem Tausendstel, auf alle Finanztransaktionen erhoben. Würde ich mit meinen 50 Euro jetzt 60 Schweizer Franken kaufen, müsste ich zunächst 5 Cent an den Fiskus zahlen und bekäme nicht mehr ganz so viele Franken. Wenn ich die Franken in Euro zurücktausche, müsste ich abermals ein Tausendstel davon an Steuern zahlen.

Kurzfristige Spekulationen besonders betroffen

Eine Promille für jede Transaktion zu verlangen wäre eine hohe Forderung. Die meisten Vorschläge sehen einen geringeren Steuersatz vor. Das klingt zunächst vernachlässigbar gering und für die meisten Geschäfte ist es das auch.

Doch beim heutigen Hochfrequenzhandel, bei dem Finanzprodukte innerhalb von Nanosekunden gekauft und wieder verkauft werden, versuchen Anleger auch von geringen Kursschwankungen zu profitieren. Hier kann schon ein Tausendstel, das beim Kauf und später wieder beim Verkauf abgezogen wird, aus einem Gewinn- ein Verlustgeschäft machen. Der Hochfrequenzhandel würde sich deutlich weniger lohnen.

So würde sich eine Finanztransaktionssteuer vor allem auf kurzfristige Spekulationen auswirken. In diesen sehen Finanzmarktkritiker eine große Gefahr für die Realwirtschaft, weil sie schnell zu Fehlbewertungen von Aktien oder Währungen führen könnten.

Bisher hat noch kein Land eine Steuer auf alle Finanztransaktionen eingeführt. In vielen Staaten werden oder wurden aber bereits andere Steuern auf Börsengeschäfte erhoben. In Deutschland gab es zum Beispiel bis Ende 1990 eine Börsenumsatzsteuer, die man zahlen musste, wenn man hierzulande Geld mit Wertpapieren gemacht hat. Die Steuer wurde jedoch von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung aufgehoben, um den Finanzplatz Deutschland attraktiver zu machen.

Fast alle wollen sie

Der Ruf nach einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer wurde in den letzten, von Finanzkrisen dominierten Jahren immer lauter. Die Anhänger der Occupy-Bewegung verlangten bei ihren Protesten die Steuer, für die Globalisierungskritiker von Attac gehört sie zu den Gründungsforderungen (Tobin Tax).

SPD, Linke und Grüne wollen schon seit Jahren eine Finanztransaktionssteuer. Die CDU war früher dagegen, hat aber mittlerweile umgeschwenkt. So sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich beim CDU-Parteitag in Leipzig für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer aus. Wenn dies global und in ganz Europa nicht gehe, "dann wenigstens im Euroraum".

Damit sprach Merkel bereits eine der Gefahren an, die Kritiker einer Finanztransaktionssteuer immer wieder heraufbeschwören. Wenn die Steuer nämlich nur an einem bestimmten Handelsplatz erhoben würde, könnten die Anleger diesen Platz meiden und ihre Geschäfte von woanders aus betreiben. Deshalb ist es sowohl für die Wirksamkeit der Steuer als auch für den Standort von entscheidender Bedeutung, dass die Finanztransaktionssteuer an möglichst vielen Handelsplätzen gleichzeitig eingeführt wird.

Internationale Uneinigkeit

Jedoch konnten sich die G20-Staaten bei ihrem jüngsten Treffen in Cannes nicht auf die Einführung der Steuer einigen. Deutschland und Frankreich waren dafür, die USA und Großbritannien nicht.

In Europa blockieren neben den Briten, die einen beträchtlichen Teil ihrer Wirtschaftsleistung auf den Londoner Finanzmärkten erarbeiten, auch die Schweden die EU-weite Einführung der Finanztransaktionssteuer.

Deshalb spielte Merkel beim CDU-Gipfel auch mit dem Gedanken, die Steuer lediglich im Euroraum einzuführen. Damit hat jedoch die FDP ein Problem. Die Liberalen fürchten um den Finanzplatz Deutschland, wenn in Frankfurt Steuern auf alle Finanzmarktgeschäfte erhoben werden, aber in London nicht.

Wohin mit den Einnahmen?

Die Einführung der Finanztransaktionssteuer brächte natürlich auch Mehreinnahmen für die Staaten mit sich, die sie erheben. Wie hoch diese Mehreinnahmen sein könnten, kann man aber unmöglich abschätzen. Schließlich ist weder ein Steuersatz beschlossen, noch ist klar, wie die Marktteilnehmer auf die Steuer reagieren würden. Die Schätzungen von Experten liegen meist bei geringen zweistelligen Milliardenbeträgen, die Deutschland pro Jahr zusätzlich einnehmen könnte.

Schon jetzt gibt es aber Vorschläge, wie man die zusätzlichen Einnahmen einsetzen sollte. Vor allem die Entwicklungshilfe wird in diesem Zusammenhang häufig genannt. Doch der zuständige Minister Dirk Niebel (FDP) will keine Finanztransaktionssteuer. Außerdem bezweifelt er, dass die Einnahmen tatsächlich in den Entwicklungsetat fließen würden: „Die Steuer würde vor allem der Finanzierung der Krise dienen“.

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