Nutzungskonzept für ehemalige Behörde: Kreative ins Finanzamt

In dem seit Jahren leer stehenden Gebäude in der Großen Bergstraße entstehen voraussichtlich Büros für die Kreativwirtschaft und ein Beratungszentrum.

Hort der Kreativwirtschaft? Die Rückseite des alten Finanzamts in Altona. Bild: Miguel Ferraz

Ginge es nur nach dem Bezirk, dann wäre die Frage nach der Zukunft des ehemaligen Finanzamts in Altona wohl beantwortet. Seit kurzem liegt ein Beschluss der Bezirksversammlung vor, nach dem vor allem Firmen aus der sogenannten Kreativwirtschaft in dem Gebäude Platz finden sollen. Ein genaues Konzept, dem unter anderem die Finanzbehörde als Eigentümerin des Gebäudes zustimmen muss, soll jetzt erarbeitet werden.

Seit dem Auszug des Finanzamts im Jahr 2007 steht der vierstöckige Gebäudekomplex in der Großen Bergstraße weitgehend leer. Ende April dieses Jahres hatten linke AktivistInnen das Gebäude kurzzeitig besetzt. Sie fordern ein autonomes Stadtteilzentrum für Altona, das einen Gegenpol zu den Aufwertungsprozessen vor Ort und in anderen Stadtteilen darstellen soll.

Zwischenzeitlich interessierte sich auch die Geschäftsstelle des Evangelischen Kirchentags 2013 für eine Nutzung, einige Wochen später war das Haus für ein neues "Community Center" im Gespräch, wie es in Wandsbek zurzeit entsteht. Diese Pläne sind nun vom Tisch. Nach dem aktuellen Beschluss der Bezirksversammlung soll das Konzept jedoch dem der "Community Center" ähneln.

Stadtteilentwicklung steht rund um die Große Bergstraße auf der Tagesordnung. Eine unvollständige Liste von Verlierern und Gewinnern:

Der Kulturverein Frappant musste seinen Sitz 2010 räumen, weil dort eine Ikea-Filiale entstehen soll.

In dem Forum-Gebäude neben der Ikea-Baustelle entsteht ein Einkaufszentrum, MieterInnen mussten dafür ersatzlos ihre Wohnungen aufgeben.

Das Sanitätshaus Funke in der Nummer 229 steht nach 55 Jahren nicht mehr an seinem Platz. Der wurde zuletzt als "Showroom" für eine Künstlerin genutzt. Auch dem darüber liegenden Verein "Integration" wurde gekündigt.

Imbiss-Besitzer Müslin Sahin investierte 60.000 Euro in seinen Laden und bekam nach einem Dreivierteljahr die Kündigung. Er zog vor Gericht und trat in einen vierwöchigen Hungerstreik - erfolglos.

So könnten ein bis zwei Stockwerke in dem Haus als "Kommunal- und Sozialberatungszentrum" genutzt werden. Die zentrale Idee ist aber der sogenannte "Kreativ Campus". Großraumbüros, Ateliers oder Werkstätten für freischaffende KünstlerInnen oder junge Kreativunternehmen, die in einem Teil des Gebäudes zu Mietpreisen zwischen sechs und zehn Euro angeboten werden könnten. In einem zweiten Teil könnten zudem "Co-Working-Räume" entstehen, in denen Einzelarbeitsplätze zur kurzzeitigen Vermietung zur Verfügung gestellt werden.

Mark Classen, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD und ehemaliger baupolitischer Sprecher, ist zuversichtlich, dass die Pläne bald Form annehmen. Das "Kreativwirtschaftscluster" müsse zwar noch konzeptionell ausgebaut werden, bei den sozialen Einrichtungen aber sehe es bereits sehr gut aus.

Die Finanzbehörde, die bislang eher an einem Verkauf des Gebäudes interessiert war, sei von ihrer "knallharten Verwertungslogik" abgekommen, dort werde zurzeit konstruktiv verhandelt. "Ich schätze, Ende November sind wir schlauer, und dann werden wir richtig Fahrt aufnehmen", sagt Classen. Es gebe schon Gespräche mit der Interessengemeinschaft Harkortstraße, einem Zusammenschluss von KleinstunternehmerInnen aus dem Kreativ-, Dienstleistungs- und Handwerksgewerbe. Die müssen für den Bau der "Neuen Mitte Altona" ihre Arbeitsplätze räumen.

Die InitiatorInnen der Kampagne "Autonomes Zentrum Altona" stellen sich unter einem Stadtteilzentrum etwas anderes vor. Für die AktivistInnen ist die Selbstverwaltung der ausschlaggebende Punkt. Dass die Stadt daran kein Interesse hat, werde unter anderem daran deutlich, dass sie bei der Besetzung nicht auf Gesprächs- oder Vermittlungsangebote eingegangen ist - obwohl sich einzelne PolitikerInnen dazu bereit erklärt hatten. An Verhandlungen bestehe im Moment auf keiner Seite Interesse.

Mark Classen hat dafür kein Verständnis. Hätten die AktivistInnen "Ansätze, die auch eine gesellschaftliche Wirkung haben, siehe Centro Sociale", so Classen, könnte man vielleicht auf anderen Flächen über Angebote reden. Im ehemaligen Finanzamt sieht er für ein autonomes Zentrum, "was auch immer das sein mag", keinen Platz. "Denen geht es doch nur darum, unbequem zu sein", sagt er. "Für die mag das ja auch okay sein - mir als Kommunalpolitiker nützt das nichts."

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