Die Atzen über Unterhaltung: "Clown ist ein krasser Job"

Die Atzen, das sind die Künstler Manny Marc und Frauenarzt. Ein Gespräch mit dem Berliner Duo über todgeweihte Fans, Kommerz und Porno-Rap.

Sie sind Die Atzen: die Berliner Rapper und Produzenten Frauenarzt (rechts) und Manny Marc. Bild: promo

taz: Wir müssen es zugeben, Die Atzen sind die Band der Stunde. Wie konnte das passieren?

Frauenarzt: Wenn es den Leuten schlecht geht, dann wollen sie fröhliche Musik.

Ist die Wirtschaftskrise für euren Erfolg verantwortlich?

Manny Marc: Nein, das glaub ich nicht. Es kommen ja nicht nur Leute zu uns, denen es schlecht geht. Alle wollen einfach mal die Sau rauslassen.

Frauenarzt: Heutzutage hat doch jeder Stress. Die vergessen ihre Probleme bei uns. Das ist wie ein kleiner Urlaub. Zu uns kommen Leute, die wissen, dass sie nur noch sechs Monate zu leben haben …

Manny: Der eine, der Hautkrebs hatte, der sah echt schlimm aus.

Frauenarzt: Das ist jetzt schon zwei-, dreimal vorgekommen. Der Letzte war so glücklich, der hat alles um sich herum vergessen.

Wer kommt noch außer Todgeweihten?

Manny: Zu uns kommen Leute aus der Metalszene, aus der Punkszene, ganz normale Hausfrauen, beim Schlagerfestival sind Väter mit ihren Söhnen auf den Schultern …

Frauenarzt: Von Jung bis Alt, total gemischt.

Manny: Auch wenn viele es nicht zugeben wollen, das ist wie früher bei Modern Talking.

Frauenarzt: DJ Bobo.

Die Künstler: Die Saison ist vorbei, Die Atzen machen Urlaub. Den haben sich Frauenarzt und DJ Manny Marc verdient nach ungefähr 150 Auftritten in diesem Jahr. Die finden überall dort statt, wo Deutsche feiern wollen: in Passau oder Eschweiler, Zittau oder Eisleben, aber auch auf Mallorca, in Lloret de Mar und Alanya, beim Schlagerfestival und in der Großraumdisco. Seit sich der Mitgröhlsong "Das geht ab!" zur Hymne entwickelte, sind der 32-jährige gelernte Maler Vincente de Teba Költerhoff und der zwei Jahre jüngere Hotelfachmann Marc Schneider nun Stars, die zur offiziellen Silvesterparty am Brandenburger Tor geladen werden. Vergessen ist, dass der Rapper Frauenarzt noch vor Kurzem im Mittelpunkt der von der Bundestagsabgeordneten Monika Griefahn losgetretenen Debatte um deutschen Porno-Rap stand und für einige alte Texte sogar verurteilt wurde.

Der Hype: Mittlerweile ist um "die geilsten Feierschweine" (Manager Stephan von Gumpert) ein kleines Unternehmen entstanden, das einem halben Dutzend Menschen Arbeit gibt. "Aber so krass reich, wie alle denken", sagt Manny Marc, "wird man heute damit nicht mehr." Trittbrettfahrer gibt es trotzdem zuhauf: Kein Wochenende vergeht, an dem nicht für "Atzen-Partys" geworben wird, von denen die Original-Atzen gar nichts wissen, obwohl auf Plakaten der Eindruck erweckt wird, Manny Marc und Frauenarzt würden höchstpersönlich ihre Hits "Das geht ab!" oder "Disco Pogo" aufführen. Die mit Pubertätslyrik verzierte Feierfunktionsmusik (Beispiel: "Atzen, macht die Anna nass", "Kackst Du ab, hast Du verkackt"), von den Verursachern zum eigenen Genre namens "Atzen-Musik" erklärt, soll nun auch das Ausland erobern: Eben waren Költerhoff und Schneider in Los Angeles und haben dort einen Vertrag unterschrieben über ein Album und sechs Singles.

Manny: Scooter.

Frauenarzt: Sehr gutes Beispiel.

Manny: Da sagen die Leute: Ne, das hör ich nicht, das ist mir zu prollig. Eigentlich finden sie es aber doch gut. Den Effekt kenne ich von mir selber auch. Wenn ich früher ein Lied von Blümchen gut fand, hätte ich das natürlich nie zugegeben.

Warum ist es den vielen Menschen, die zu euren Auftritten kommen, peinlich, das zuzugeben?

Manny: Das fragen wir uns auch immer. Es gibt viele, die denken, wir wären irgendwelche Idioten, wir wären jeden Tag am Saufen, hauen uns bunte Pillen rein und quatschen Scheiße. Das ist gar nicht so: Wir trinken kaum Alkohol, wir nehmen keine Drogen. Wir sind keine Dummköpfe, wir schreiben unsere Texte, wir produzieren, wir beschäftigen uns sehr intensiv mit unserer Musik. Im Endeffekt ist man Musiker, auch wenn man keine Noten lesen kann.

Frauenarzt: Die Leute sehen uns im Fernsehen und denken, wir wären irgendwelche Clowns.

Ihr spielt die Clowns sehr überzeugend.

Manny: Ich finde ja: Clown ist ein krasser Job.

Frauenarzt: Ein Clown ist ein Künstler.

Manny: Wir machen Unterhaltung, die von Herzen kommt, authentisch ist. Wir schlüpfen nicht in eine Rolle wie Schwarzenegger als Terminator. Oder als Gouverneur. (großes Gelächter)

Frauenarzt: Wir sind auf jeden Fall sehr polarisierend. Es gibt viele Leute, die uns supertoll finden, und welche, die uns superscheiße finden. Dazwischen gibt es nicht viel.

Wie kommt das?

Frauenarzt: Das ist eine Geschmacksfrage. Die mögen vielleicht keine Technobeats.

Hat es vielleicht mit euren Inhalten zu tun?

Manny: Nein, unsere Inhalte sind doch papperlapapp.

Frauenarzt: Unsere Stimmen sind doch nur Instrumente. Das sind doch eigentlich Kinderlieder für Erwachsene. Die Message ist immer positiv. Dagegen kann doch keiner was sagen.

Zumindest aber eurer Frauenbild ist doch, gelinde gesagt, problematisch.

Manny: Wir haben doch noch nie was gegen Frauen gesagt.

Frauenarzt: Wir haben einen Song, den wir nur den Atzinnen gewidmet haben, und den finde ich superlieb.

Aber in dem Song "Atzin" rappt ihr: "Meine Atzin ist der Wahnsinn, geile Sau fast wie im Sexfilm."

Manny: Ja, das ist von mir. Natürlich ist das auch provokant. Das ist das, was die Kids hören wollen. Aber es ist alles nicht ernst gemeint.

Frauenarzt: Das ist doch ein Kompliment. Wenn ich zu meiner Freundin sage, du bist heute aber eine geile Sau wie aus dem Sexfilm, da sagt die: Danke, geil, gefall ich dir heute?

Könnt ihr verstehen, dass es Frauen gibt, die keine "geile Sau" sein wollen?

Manny: Was ist mit Rammstein? Was haben denn die für Texte. Das ist richtig fies, was die gemacht haben.

Frauenarzt: Warum kommen dann überdurchschnittlich viele Frauen zu unseren Konzerten?

Warum?

Frauenarzt: Weil sie es toll finden.

Warum finden die es toll, dass sie in euren Texten zum Sexobjekt reduziert werden?

Frauenarzt: Ist es nicht eher so, dass wir uns selbst reduzieren?

Worauf reduziert ihr euch denn?

Frauenarzt: In dem Fall auf das männliche Geschlecht. Dass wir nur an unseren Pillermann denken. Ich finde das gar nicht erniedrigend. Das ist lustig und partymäßig. Eine Frau, die damit ein Problem hat, muss schon sehr verklemmt sein. Oder sehr emanzipiert. Aber die Diskussion haben wir schon vor Jahren gehabt.

Der Rapper Frauenarzt ist immerhin wegen Gewaltdarstellung und pornografischer Gewaltdarstellung vorbestraft.

Frauenarzt: Als wir aufgewachsen sind, war der Party-Rap unser Ding. Wie der von Two Live Crew, die mit dem Sexding gespielt haben. Das haben wir versucht auf Deutsch zu machen, und das klingt dann natürlich sehr vulgär. Aber das war mein Image, das hab ich durchgezogen, auch weil ich damit viel Erfolg hatte.

Und als Atze hat Frauenarzt Kreide gefressen?

Frauenarzt: Ich habe es am Anfang auch übertrieben, um zu schocken. Musikalisch ist das, was wir jetzt machen, dasselbe was wir immer gemacht haben, aber die Texte sind viel positiver.

Bereust du die alten Sextexte?

Frauenarzt: Eigentlich nicht. Ich persönlich finde die immer noch unterhaltsam. Aber ich habe keine Lust mehr, Porno-Rap-Sexsongs zu machen, ich habe dazu alles gesagt, was man sagen kann. Das Thema ist abgeschlossen.

Dass die neuen Texte viel harmloser sind, hat gar nichts mit der Verurteilung zu tun?

Frauenarzt: Ich habe immer das gemacht, worauf ich Bock hatte. Ich habe nie gedacht, ich mache etwas nicht, weil andere damit ein Problem haben.

Wie finden die alten Kumpels aus der Porno-Rap-Szene euren Mainstream-Erfolg?

Frauenarzt: Kool Savas, Bushido, Sido, alle, mit denen wir früher im Berliner Untergrund aktiv waren, die finden das toll.

Manny: Die gönnen uns das, da gibt es gar keinen Neid.

Frauenarzt: Kein bisschen. Eigentlich komisch. Aber ist so.

Komisch?

Frauenarzt: Eigentlich ist es einerseits natürlich uncool, mit der Musik Geld zu verdienen. In der HipHop-Szene heißt es schnell: Wenn du in der Bravo bist, verkaufst du deinen Arsch, bist du nicht mehr authentisch. Andererseits rappen alle darüber, dass sie Geld machen wollen. Die HipHop-Szene ist sehr kompliziert.

Manny: Aber wir haben Narrenfreiheit.

Frauenarzt: Wir haben den Atzen-Bonus.

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