Urteil im Schreiber-Prozess: Politskandal endet unpolitisch

Waffenlobbyist Schreiber muss wegen Steuerbetrugs ins Gefängnis. Brisante Fragen bleiben ungeklärt. Gut möglich, dass jetzt in manchem Politikerbüro die Sektkorken knallen.

Karlheinz Schreiber winkt aus einem Polizeiauto, aufgenommen im August 2009. Bild: reuters

AUGSBURG taz | Wie immer grüßt Karlheinz Schreiber, einen Aktenordner unter dem Arm, lächelnd ins Publikum, als er den Sitzungssaal im Augsburger Landgericht betritt. Doch der 76-Jährige wirkt an diesem Mittwochmorgen besonders angespannt. Sein Gesicht ist fahl, nervös streicht sich Schreiber übers spärliche graue Haar, bevor der Vorsitzende Richter Rudolf Weigell das Urteil verkündet: acht Jahre Gefängnis.

Eine hohe Strafe. Schreibers Blick geht ins Leere. Andere prominente Steuerhinterzieher kamen deutlich glimpflicher davon: Ex-Postchef Klaus Zumwinkel etwa, der eine Bewährungsstrafe erhielt, oder Schrauben-Milliardär Reinhold Würth, gegen den nur eine Geldstrafe verhängt wurde. Bei Schreiber sieht das Gericht "einen besonders schweren Fall" von Steuerhinterziehung. "Raffgierig" und "maßlos" habe er gehandelt. Seine Verteidigung deutet nach der Urteilsverkündung an, in Revision gehen zu wollen.

So also endet vorläufig einer der größten deutschen Politskandale. Karlheinz Schreiber war die Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre vor zehn Jahren. Ermittlungen gegen ihn hatten illegale Spendenpraktiken der Christdemokraten ans Licht befördert, dunkle Geldkanäle, gefälschte Rechenschaftsberichte. Die Partei stürzte damals in eine tiefe Krise, Altkanzler Helmut Kohl verlor seinen Ehrenvorsitz und Wolfgang Schäuble seinen Job als CDU-Bundeschef.

Am Ende ist die Causa Karlheinz Schreiber erstaunlich geschrumpft - auf die eines gemeinen Steuerhinterziehers. Es ging um Provisionszahlungen in Höhe von insgesamt rund 65 Millionen Mark, die Schreiber zwischen 1988 und 1993 für die Vermittlung verschiedener Rüstungsgeschäfte kassiert und vor dem Fiskus versteckt habe. Teile der Schmiergelder gingen an Thyssen-Manager, 3,8 Millionen Mark an den damaligen CSU-Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls. Mindestens 1,1 Millionen Mark bekam die CDU als Spende. So viel steht fest.

Wie mit dem Skalpell schnitten die Augsburger Richter bei diesem Prozess all jene Vorwürfe aus dem Verfahren heraus, die eine heikle politische Affinität haben. Bestechung? Sei bereits verjährt. Beihilfe zum Betrug beim "Fuchs"-Panzer-Deal mit Saudi-Arabien, für den die Kohl-Regierung 1991 grünes Licht gegeben hatte und bei dem insgesamt sage und schreibe 220 Millionen Mark Schmiergelder flossen? Sei nicht beweisbar. Selbst Schreibers Steuerschuld korrigierten die Richter, gegen die Rechnung der Anklage, nach unten: von fast zwölf auf 7,5 Millionen Euro.

Gut möglich, dass jetzt in manchem Politikerbüro die Sektkorken knallen. Der Langzeit-Skandal scheint endgültig ausgestanden. Der Vorhang fällt. Und viele - brisante - Fragen bleiben offen: Wie käuflich war die Politik in der Ära Kohl? An wen gingen die ungeklärten Teile der Schreiber-Gelder - an Parteien? Wer waren die klandestinen Millionen-Spender, die Helmut Kohl bis heute nicht genannt hat? Die Justiz duckte sich bei diesen Fragen weitgehend weg. Auch das taugt zum Skandal.

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