Tippfehler als Geschäftsmodell: Klenvieh mahct auch Misst

Wer sich beim Surfen verschreibt, landet oft auf Seiten mit viel Werbung – es kann aber auch gefährlich werden. Mit "Typosquatting" lässt sich viel Geld verdienen, Google verdient mächtig mit.

Ein Schild weist zum Google-Firmenhauptsitz in Kalifornien. Versurfen ausgeschlossen. Bild: ap

Könen Sie dass hir lesn? Kein Problem, oder? Das liegt daran, dass wir schlau sind, unser Gehirn gleicht kleinere Faux-Pas in der Rechtschreibung einfach aus, manchen Rechtschreibfehler überlesen wir deshalb ganz einfach. So lange es sich um einigermaßen bekannte Wörter handelt, sind Buchstabendreher und falsche Zeichen völlig egal – vom schlechten Eindruck und einer eventuellen Rüge des Deutschlehrers mal abgesehen.

Aktuell sind Web-Browser noch nicht so schlau wie Deutschlehrer. Ein Browser kann Tipp- und Rechtschreibfehler nicht erkennen. Wer den Namen der gesuchten Seite falsch in die Browserzeile eingibt, landet statt - zum Beispiel - bei seinen virtuellen Freunden auf einer Seite mit Werbung für Gratis-Visitenkarten und Darlehen. Schlecht für uns.

Aber gut für Google. Der dem Suchmaschinen-Giganten kritisch gegenüberstehende Professor Ben Edelmann von der Harvard Business School hat eine Studie veröffentlicht, nach der Google mit unseren Rechtschreibfehlern jedes Jahr bis zu 500 Millionen Dollar verdienen könnte.

Edelmann hat ausgerechnet, dass jede der 3264 meistbesuchten Homepages der Welt im Schnitt von 280 Seiten umzingelt ist, die irgendeine abgewandelte Variante des Original-Namens sind. Afcebook.de zum Beispiel. Oder fcaebook.de, genauso wie twiter.com. Die Inhaber der Seite schalten darauf Werbung, jedes mal wenn ein abgelenktes Opfer im Netz falsch abbiegt, klingelt die Kasse beim Besitzer.

Und bei Google: Auf mehr als der Hälfte dieser sogenannten Typosquatting-Seiten stehen Anzeigen, die der Suchmaschinen-Gigant verwaltet, für jeden Besucher bekommt Google so laut Edelmann 3,5 Cent. Nach dem großen Reibach klingt das noch nicht. Edelmann schätzt aber in seiner Studie, dass sich jeden Tag fast 70 Millionen Menschen im Netz verfahren, so wird aus den Tippfehlern ein Riesengeschäft.

Vor allem bekannte Webseiten sind vom Typosquatting betroffen, denn je mehr Menschen auf eine Seite gehen, desto höher ist natürlich auch die Chance, dass sich einige von ihnen verschreiben. Neben den Internet-Auftritten bekannter Firmen oder sozialer Netzwerke sind laut einer Studie des Virenscanner-Herstellers McAfee vor allem Seiten für Kinder betroffen. Die würden sich häufiger als viele Erwachsene verschreiben, also stiege die Chance, dass sie das im Netz ebenfalls tun.

Für Firmen wird das vor allem dann ärgerlich, wenn die Seiten mit den falsch geschriebenen Namen keine Werbung, sondern pornographische Inhalte haben - denn Pornografie kratzt am sauberen Marken-Image. Die wenigsten Unternehmen wollen, dass die Kunden, die eigentlich ihre Firmen-Homepage aufrufen wollten, stattdessen Produkte wie Strapse und Oralsex sehen. Variationen der Adresse facebook.com führen oft zu Dating-Portalen oder Sex-Seiten.

Gefährlich für den Nutzer wird es dann, wenn es sich bei den gesquatteten Seiten um Seiten handelt, die Passwörter abfischen – zum Beispiel bei gefälschten Bank-Webseiten, oder auch die Fake-Twitter-Seite tvviter. Auch nicht ohne sind Typosquat-Seiten, wo der Nutzer motiviert wird, sich einen neuen, besonders leistungsfähigen Virenschutz herunterzuladen. Nach dem Ausführen der Datei kommt dann das böse Erwachen: Das war gar kein Virenschutz – das ist ein Virus, und der befindet sich, dank Typosquatting, und des Nutzers Dummheit, nun irgendwo eingenistet auf dem Computer. Auch ein solches Erlebnis ist, genau wie das unverhoffte Erscheinen einer Porno-Seite, wenig geeignet, das Vertrauen des Nutzers in das gesquattete Webangebot zu stärken.

Viele Firmen sichern sich deswegen im Vorfeld ab – sie registrieren zumindest diejemigen Domainnamen mit den häufigsten Rechtschreibfehlern für sich und schalten Umleitungen auf ihre eigentliches Web-Angebot. Wenn man faacebook.com eingibt, kommt man so automatisch wieder zum Original mit seinen virtuellen Freunden, anstatt Werbeanzeigen oder nackte Haut zu sehen. Und natürlich wehren sich Firmen auch juristisch und verteidigen ihr Marken-Image vor Gericht.

Prinzipiell hat Google mit Tippfehlern in der Browserzeile nichts zu tun – gleichwohl distanziert sich der Konzern aber eben auch nicht von den Typosquatting-Seiten, sondern verdient im Gegenteil noch kräftig mit an den Schreibfehlern.

Dass Google Schreibfehler-Seiten dennoch stören, kann man daran sehen, dass der Konzern einige Variationen seines Namens gesichert hat und Umleitungen auf seine Seite geschaltet hat: googel.de zum Beispiel, oder goolge.de und gogle.de. Soll ja schließlich niemand anderes Geld mit fremden Federn verdienen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.