Atom-Müll im Mittelmeer: Schiffe-Versenken mit der Mafia

Die kalabresische Mafia Ndrangheta soll nuklearen Müll auf mehr als 30 Frachtern im Meer entsorgt haben. Ermittler haben jetzt das erste Wrack gefunden. Doch die Bergung wäre teuer.

Die Mafia hat Müll im Mittelmeer versenkt. Bild: dpa

ROM taz | Italiens Meere sind eine gigantische Sondermülldeponie, in der wahrscheinlich in großem Stil nukleare Abfälle entsorgt wurden. Dieser seit Jahren im Raum stehende Verdacht erfuhr jetzt erstmals eine unmittelbare Bestätigung: Vor der Küste Kalabriens wurde in 500 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund das Wrack eines Frachters gefunden. Der Bug ist zerborsten, offenbar aufgerissen von einer Sprengladung im Inneren, einige Fässer liegen vor dem Schiff, und auch in seinem Inneren sind Fässer sichtbar.

Den Spezialroboter, der das Wrack filmte, hat Staatsanwalt Bruno Giordano aus dem kalabresischen Paola losgeschickt, nachdem der Mafia-Kronzeuge Francesco Forti über die jahrelang von der kalabresischen Ndrangheta abgewickelte Entsorgung der besonderen Art ausgepackt hatte. Im Verein mit Geschäftemachern aus dem Müllbusiness besorgten die Mafiosi sich ausrangierte Schiffe, packten sie mit Giftmüllfässern voll, fuhren sie vor die Küste und versenkten sie.

Dutzende Schiffe - Staatsanwalt Giordano spricht von mindestens 32 - sollen so mit giftiger und strahlender Fracht verschwunden sein, im Tyrrhenischen Meer genauso wie in der Adria. Weitere Fahrten gingen vor die Küsten Afrikas, sowohl vors Horn von Afrika als auch vor die Westküste des Kontinents. Und Forti sagte aus, reihenweise hätten die Müllfrachter auch somalische Häfen angelaufen, wo die Fracht dann an Land verscharrt wurde; er selbst habe einen solchen Transport organisiert. Zum Beispiel im Hafen Bosaso seien die Schiffe problemlos entladen worden, während die damals dort stationierten italienischen Soldaten "in die andre Richtung geschaut haben, auf Geheiß von italienischen Geheimdienstlern".

Forti spricht damit auch die mögliche Verwicklung staatlicher Stellen an - und er liefert indirekt ein Motiv, warum er erst spät zum Komplex Giftmüll aussagte. Seit 1994 Kronzeuge, machte er den Mund zu dem heiklen Kapitel erst im Jahr 2005 auf. Da gab es schon lange den Verdacht, Müll sei in der zweiten Hälfte der Achtziger- und in den frühen Neunzigerjahren systematisch im Meer versenkt worden.

So hatte Greenpeace Italien 1997 ein Dossier veröffentlicht, in dem sechs mysteriös untergegangene Schiffe aufgelistet wurden. Und schon im Dezember 1990 war das Schiff "Jolly Rosso" an Kalabriens Küste gestrandet. Seine mysteriöse Ladung wurde nie identifiziert, sondern in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von Bord geschafft, unbehindert von staatlichen Stellen, und - dies der Verdacht - unweit vom Unglücksort verscharrt.

In der nahegelegenen Gemeinde Amantea häuften sich in den Folgejahren Krebsfälle, und die Techniker der Region Kalabrien fanden jetzt den wahrscheinlichen Ort der Deponie: Dort wurde stark erhöhte Radioaktivität festgestellt - und eine Erwärmung des Erdreichs um sechs Grad. Jahrelang aber zeigte sich der Staat merkwürdig desinteressiert an dem Giftmüllskandal. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen über die Schiffsuntergänge wurden regelmäßig eingestellt, mit dem Argument, dass ja "das Beweisstück fehlt" - kein Wunder, wenn es hunderte Meter tief auf dem Meeresgrund lag.

Erst Staatsanwalt Giordano änderte dies, zusammen mit dem für Umwelt zuständigen Regionalminister Kalabriens, Silvestro Greco. Giordano trieb die Ermittlungen voran, Greco stellte den Tauchroboter zur Verfügung, mit dem nun das erste "Beweisstück" gefunden wurde.

Völlig unklar ist aber bisher, wie es weitergehen soll. Italiens Umweltministerin Stefania Prestigiacomo hat zwar die Einrichtung einer "Task force" in ihrem Ministerium versprochen, die sich um das jetzt gefundene Wrack kümmern soll. Kein Wort war aber von der Regierung darüber zu hören, ob nun auch die Suche nach den anderen Wracks aufgenommen werden und was mit den ökologischen Unterwasserbomben passieren soll. Die Entsorgung würde womöglich Summen im Milliardenbereich kosten.

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