Althaus über Thüringer Wahlen: "Jeder Mensch ist ersetzbar"

Dieter Althaus, CDU-Ministerpräsident von Thüringen, spricht über den drohenden Verlust der absoluten Mehrheit, seine Kampagne gegen die Linkspartei und den möglichen Einzug der NPD.

"Mit Sucht hat das nichts zu tun, sondern mit Dienst am Land": Wahlkämpfer Dieter Althaus. Bild: dpa

taz: Herr Althaus, nach Ihrem Skiunfall sind Sie vor drei Monaten wieder voll in den Job zurückgekehrt. Sind Sie wieder ganz der Alte?

Dieter Althaus: Die letzten Monate waren Rückenwind für mich persönlich, aber auch für meine Politik. Es macht mir große Freude, wieder im Amt zu sein.

Das war nicht die Frage. Es ist gar nichts anders als zuvor?

Natürlich gibt es auch das Gespräch über den Unfall und die Folgen. Hinsichtlich meiner politischen Arbeit gibt es - Gott sei Dank - keine Einschränkungen.

Leben: Er wurde am 29. Juni 1958 in Heiligenstadt geboren, ist katholisch, verheiratet und hat zwei Kinder. Er studierte Physik auf Lehramt und war von 1987 bis 1989 stellvertretender Schuldirektor in Geismar.

Ämter: Von November 2003 bis 31. Oktober 2004 war er Präsident des Bundesrates. Seit Juni 2003 ist er Thüringens Ministerpräsident.

Unfall: Am 1. Januar 2009 stieß Althaus in Österreich mit einer Skifahrerin zusammen - sie starb an den Unfallfolgen. Er selbst erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Im März wurde er in Österreich wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe in Höhe von 33.300 Euro und einem Schmerzensgeld von 5.000 Euro verurteilt.

Hätten Sie ohne den Wahlkampf eine längere Auszeit genommen?

Die Ärzte in den Kliniken haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass ich wieder voll genese. Mein Wille war von Anfang an, so bald wie möglich wieder einzusteigen.

Sie hielten sich für unersetzbar?

Jeder Mensch ist ersetzbar. Aber ich führe die Thüringer CDU seit neun Jahren, und seit sechs Jahren bin ich Ministerpräsident. Die Partei hat mich nach dem Unfall mit 100 Prozent zum Spitzenkandidaten wiedergewählt. Da kann meine Antwort nur lauten: Ich stehe zu meiner Partei, mit vollem Einsatz. Dieser Einsatz gilt auch für die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen.

Sie haben nie gedacht: Es wäre besser gewesen, einen Nachfolger aufzubauen?

Ich bin kürzlich 51 Jahre alt geworden, da denkt man nicht an Nachfolge.

Politiker können sich keine menschliche Schwäche leisten?

Das ist für mich kein Widerspruch. Die Wähler wollen den Ministerpräsidenten auch als Menschen erleben.

Viele sagen, Politik macht süchtig. Sind Sie abhängig?

Mit Sucht hat das nichts zu tun, sondern mit Dienst am Land. Ich bin im Herbst 1989 politisch aktiv geworden. Seitdem helfe ich, dass sich die Dinge für Thüringen gut entwickeln.

Wie wichtig ist Ihr Wahlergebnis für die Bundestagswahl vier Wochen später?

Wir werden Angela Merkel Rückenwind geben.

Obwohl Sie die absolute Mehrheit ziemlich sicher verlieren?

Wir werden eine erfolgreiche Wahl haben und die Gestaltungsmehrheit gewinnen.

Das heißt, mit dem Verlust der absoluten Mehrheit haben Sie sich schon abgefunden?

Ich habe mich nicht damit abgefunden, etwas zu verlieren. Ich will die Gestaltungsmehrheit gewinnen.

Sie wollten unbedingt einen getrennten Wahltermin vor der Bundestagswahl, um der SPD eine Debatte über die Linkspartei ans Bein zu binden.

Wir wollten, dass über landespolitische Fragen abgestimmt wird. Die Thüringer Themen stehen im Mittelpunkt. Das ist wichtig für das Land.

Trotzdem kümmern Sie sich im Wahlkampf vor allem um die Linkspartei. Durch den Aufstieg von FDP und Grünen wird die Lage komplizierter. Haben Sie sich verspekuliert?

An der Debatte über den Kurs der SPD ändert sich nichts. Die SPD muss sich entscheiden, ob sie sich zum Anhängsel der Linken machen will - oder ob sie wieder eine demokratische Partei der Mitte werden will.

Es gibt eine klare Aussage des Thüringer SPD-Spitzenkandidaten Christoph Matschie, dass er nicht als Juniorpartner mit der Linken koaliert. Damit ist das Thema doch gestorben?

Ich kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. Entweder ist sich die SPD mit der Linken politisch einig, oder sie ist es nicht. Die Antwort auf diese Frage hängt doch nicht davon ab, ob die SPD den Ministerpräsidenten stellt.

Ist die Linke auch deshalb Ihr Lieblingsgegner, weil Sie Ihnen die obrigkeitshörige Klientel abspenstig macht - anders als etwa SPD und Grüne, die aus der DDR-Opposition hervorgegangen sind?

Die Linkspartei macht uns überhaupt nichts abspenstig, sie hat bei den vergangenen Landtagswahlen keine Stimmen hinzugewonnen. Die Prozentzahlen sind nur deshalb gestiegen, weil die Wahlbeteiligung zurückgegangen ist.

Die Junge Union greift den Linken-Kandidaten Bodo Ramelow an, weil er aus dem Westen zugewandert ist. Billigt der Ministerpräsident diese provinzielle Kampagne?

Wahlkampf lebt auch von Zuspitzung. Das betroffene Motiv hat sich erledigt.

Belastet die jüngste Debatte über die Vergangenheit der CDU als Blockpartei Ihren Wahlkampf?

Die CDU Thüringen hat ihre Geschichte schon 1990 öffentlich und klar aufgearbeitet. Das ist bei uns gar kein Thema mehr - weder innerhalb noch außerhalb der Partei.

Sie selbst waren in der DDR zuletzt stellvertretender Schulleiter - und kritisieren gleichzeitig die frühere Systemtreue der Linkspartei.

Ich habe dazu alles gesagt, und die Thüringer haben das als offen und positiv empfunden.

Herr Althaus, in Sachsen sitzt seit fünf Jahren die NPD im Landtag. Was werden Sie tun, um einen Erfolg der Rechtsextremisten in Thüringen zu verhindern?

Wir führen den Kampf gegen die Rechtsextremisten mit ganzer Kraft. Seit 1990 haben sie bei uns auf Landesebene keine politische Chance bekommen. Auf kommunaler Ebene gibt es jetzt leider einige wenige Vertreter, weil die Fünfprozenthürde durch Gerichtsbeschluss abgeschafft wurde.

In Sachsen sagte einst Kurt Biedenkopf, das Land sei immun gegen Rechtsextremisten. Machen Sie nun denselben Fehler?

Nein. Wir sind uns einig im Kampf gegen Rechtsextremismus.

War die gescheiterte Berufung Peter Krauses zum Kultusminister ein Versuch, Wähler vom rechten Rand an die CDU zu binden?

Das ist eine abstruse Diskussion. Solche Vorstellungen sind mir fremd. Die klare Abgrenzung von den Extremen gehört zu unserem Selbstverständnis als Volkspartei.

Die bayerische CSU hat es lange als Erfolgsrezept verkauft, den rechten Rand des Spektrums einzubinden.

Peter Krause ist Mitglied des Landtags, er ist Vorsitzender der Weimarer CDU und mit glänzendem Ergebnis wieder in den Stadtrat gewählt worden. An seinen demokratischen Überzeugungen hege ich keinerlei Zweifel.

Musste damals erst die Kanzlerin eingreifen, um Sie von der Personalie abzubringen?

Wie Sie wissen, hat Peter Krause von sich aus auf das Amt verzichtet.

Bei der Europawahl haben die Grünen in einigen Jenaer Stimmbezirken die CDU schon überrundet, auch in Weimar und Erfurt sind sie stark. Verliert die CDU den Anschluss an die städtischen Eliten?

Europawahlen sind Europawahlen. Wir sind und bleiben die stärkste Kommunalpartei.

Haben Sie eine Erklärung für die neue Konkurrenz im bürgerlichen Lager?

Konkurrenz gibt es immer im bürgerlichen Lager. Aber ich sehe kein Anwachsen der Grünen.

In allen Umfragen liegen sie inzwischen deutlich über fünf Prozent.

Auch bei der letzten Landtagswahl haben sie die Fünfprozenthürde verfehlt. Da gibt es keine große Veränderung.

Bei der FDP wollen Sie aber nicht bestreiten, dass sie in Ihrer Wählerschaft wildert?

Auch das kann ich nicht erkennen. Die Aussicht auf eine schwarz-gelbe Koalition im Bund hat die FDP gestärkt - aber nicht auf unsere Kosten. Das wird uns hoffentlich helfen, unser Wahlziel zu erreichen und die große Koalition in Berlin zu beenden.

Bei Ihnen in Thüringen könnte es nach den Umfragen auf ein Dreierbündnis hinauslaufen. Reizt es Sie, als erster Ministerpräsident ein Jamaika-Bündnis zu schmieden - als Vorbild für Berlin?

Koalitionsspekulationen sind nicht mein Thema. Wir kämpfen für unsere eigene Stärke.

Wenn es im Bund neue Mehrheiten gibt, sind für die Union zusätzliche Ministerämter zu verteilen. Wäre das eine Perspektive für Sie?

Mein Platz ist in Thüringen. Das habe ich schon 2005 gesagt, als ich im Kompetenzteam von Angela Merkel war.

Ihr Lieblingsprojekt, das Bürgergeld, könnten Sie nur von Berlin aus durchsetzen.

Das sehe ich nicht so. Ich leite bereits die Arbeitsgruppe der CDU zum Solidarischen Bürgergeld, wir werden nächstes Jahr unser Gesamtkonzept vorlegen.

Es gab schon Zeiten, da waren Sie zu Bundesthemen auskunftsfreudiger. Hat Ihr Verhältnis zur Kanzlerin gelitten?

Wir haben nach wie vor ein sehr gutes, persönliches Verhältnis. Ich unterstütze sie bei ihrer Aufgabe als Kanzlerin und Bundesvorsitzende, und sie unterstützt mich als Ministerpräsident und Landesvorsitzender - auch mit vier Auftritten im Wahlkampf.

Weitaus öfter wird im Wahlkampf Ihr Vorgänger Bernhard Vogel auftreten. Ist er immer noch der Landesvater?

Bernhard Vogel ist Thüringer. Er wohnt in Erfurt und ist hier Ehrenvorsitzender der CDU. Selbstverständlich bleibt er politisch aktiv - nicht nur im Wahlkampf.

Sie haben nicht das Bedürfnis, sich zu emanzipieren?

Emanzipiert bin ich längst. Mein 18. Geburtstag liegt schon mehr als dreißig Jahre zurück.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.