NPD und die Finanzkrise: Rechte setzen erfolglos auf Marx

Laut einer Länderstudie bezeichnen sich fast 90 Prozent der Menschen mit rechten Einstellungen als kapitalismuskritisch. Dennoch profitiert die NPD nicht von der Krise.

Antikapitalismus à la Marx statt "Sozialschmarotzer"-Prosa: Die Einstellungen der Rechtsextremen hat sich gewandelt. Bild: dpa

BERLIN taz In Zeiten der Finanzkrise ist Kapitalismuskritik in aller Munde - und zwar bei Weitem nicht nur im linken Parteienspektrum. Wie aus einer Studie des Rechtsextremismusexperten Richard Stöss von der Freien Universität in Berlin hervorgeht, betrachten sich 82 Prozent der Rechtsextremisten in der Hauptstadt ebenfalls als kapitalismuskritisch, in Brandenburg sind es gar 89 Prozent. Mehr Antikapitalisten kann auch die Linkspartei nicht aufweisen.

Berücksichtigt wurden bei dieser Studie nur die Bundesländer Berlin und Brandenburg. Befragt wurden 2.000 Menschen, die Ergebnisse beziehen sich nur auf etwa 400 Befragte, die rechte Einstellungen äußerten. Die Erkenntnisse würden sich weitgehend mit denen ähnlicher Studien in anderen Bundesländern decken, so Stöss. "Wir beobachten, dass antikapitalistische Einstellungen in der rechten Szene bereits seit einiger Zeit sehr weit verbreitet sind."

Das war nicht immer so. In ökonomischen Fragen standen die rechtsextremen Parteien lange Zeit Positionen des rechtskonservativen Bürgertums nahe, das sich zum freien Unternehmertum bekannte und Arbeitslose als "Sozialschmarotzer" bezeichnete. Letzteres war auch häufig rassistisch konnotiert.

Doch spätestens seit der Protestbewegung gegen Hartz IV im Sommer 2004 hat vor allem die NPD die soziale Frage für sich entdeckt. Die rechtsextreme Partei stellte fest, dass sich besonders in den ostdeutschen Bundesländern mit globalisierungskritischen Ansichten im nationalistischen Sinne punkten lässt. Dem Freihandel gibt sie die Schuld an der hohen Arbeitslosigkeit. Und weil der Kapitalismus international sei, müsse der Sozialismus eben national sein. "Sozial geht nur national", gab Jürgen Gansel, NPD-Abgeordneter im Sächsischen Landtag, die Parole aus.

Und so versucht die NPD nun, sich zum Anwalt der kleinen Leuten zu stilisieren. Sie ist für die Entmachtung von multinationalen Konzernen, setzt sich für eine Senkung der Mehrwertsteuer ein und solidarisiert sich mit den von Entlassung bedrohten Opel-Arbeitern in Rüsselsheim. Und tatsächlich: FU-Professor Stöss hat in seiner Studie festgestellt, dass bei den Befragten rechte Kapitalismuskritik überdurchschnittlich gut bei Arbeitslosen und Arbeitern ankommt.

Dabei haben diese Ansichten mit Antikapitalismus gar nichts zu tun, sagt Toni Peters vom Antifaschistischen Pressearchiv (Apabiz). Weder würden die Rechtsextremisten das Privateigentum grundsätzlich infrage stellen noch das Profitstreben oder die soziale Ungleichheit. Deren Solidaritätsverständnis beschränke sich rein auf ihre "Volksgenossen", sagt Peters.

So wenig die Linkspartei mit ihren antikapitalistischen Positionen sowohl bei der jüngsten Hessen-Wahl als auch in Umfragen derzeit in Sachen Finanzkrise punktet, schlägt auch die NPD aus der Krise keinen Profit. Gerade einmal 0,9 Prozent der abgegebenen Stimmen entfielen vergangenen Sonntag in Hessen auf die NPD - ähnlich wenig wie bei der Wahl vor einem Jahr. Der hessische Landesvorsitzende der NPD, Jörg Krebs, gibt dafür den Republikanern die Schuld, weil sie sich geweigert hätten, mit der NPD gemeinsame Sache zu machen.

Rechtsextremismusexperte Stöss hat eine andere Erklärung: Ausgehend von der Erkenntnis, dass es durchaus ein Potenzial zwischen 10 und 20 Prozent gibt, die sowohl über rechtsextreme als auch zugleich kapitalismuskritische Einstellungen verfügen, gelinge es der NPD aber nicht, diese Wähler für sich zu gewinnen. "In Krisenzeiten setzt die Wählerschaft auf Sicherheit", sagt Stöss. Da würden auch rechte Antikapitalisten noch eher etablierten Volksparteien vertrauen als der NPD.

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