Nach Erfolg über Pannenreaktor: Gegen AKW-Technologie-Export

Die Bürgerinitiative in Hamm hat über den Thorium-Versuchsreaktor gesiegt. Jetzt kämpft sie gegen den Export der Technologie. Teil 7 der taz-Serie Anti-Atomkraft-Bewegung.

Ab und an fahren Demonstranten noch zum Zwischenlager ins westfälische Ahaus, um vor Ort zu protestieren. Bild: dpa

HAMM taz Er ist mit dem Atomkraftwerk groß geworden. Als mit dem Bau des Thorium-Versuchsreaktors in Hamm begonnen wurde, war Horst Blume Teenager. Das war 1971. Heute ist Blume 54 Jahre alt, der Reaktor befindet sich in sogenanntem Stilllegungsbetrieb. Viele Menschen haben nach dem Aus für das Kraftwerk aufgehört, sich in der Bürgerinitiative zu engagieren. Blume macht weiter.

Der Castor-Transport im November hat gezeigt: Die Antiatombewegung ist lebendig. Woher kommen die vielen tausend Menschen, die in Gorleben protestierten? Und was machen sie, wenn gerade kein Atommülltransport durchs Land rollt? Während die Politiker über den Ausstieg aus dem Ausstieg diskutieren, engagieren sich im ganzen Land Initiativen gegen Atomkraft. Mit dem Bericht aus Hamm beendet die taz ihre Serie über diese Gruppen.

Teil 6: Online-Proteste – Widerstand im Internet (03.01.2009)

Teil 5: Anreicherung – Kampf gegen Gronauer Uran (02.01.2009)

Teil 4: Herkunft – Auf den Spuren des Urans (31.12.2008)

Teil 3: Risiken – Keine AKW im Erdbebengebiet (29.12.2008)

Teil 2: Spätfolgen – Selbsthilfegruppe für Atomopfer (29.12.2008)

Teil 1: Ausgestrahlt – Newsletter aus der Anti-Atom-Bewegung (27.12.2008)

Der Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR) gehört zur vierten Reaktorgeneration, "die ja weltweit propagiert wird", sagt Blume. "Da wollen wir sehen, dass diese negativen Erfahrungen, die wir hier gemacht haben, nicht in Vergessenheit geraten." In Hamm sei es immer wieder zu Störfällen gekommen: Vor allem die kugelförmigen Brennelemente in einer Grafitschale seien häufig kaputt gegangen - insgesamt 17.000 Kugeln. Der radioaktive Grafitstaub musste jedes Mal abgesaugt werden. Aber auch sonst war die Geschichte des 1985 in Betrieb genommenen THTR geprägt von Pleiten, Pech und Pannen. Die Bürgerinitiative listet auf ihrer Internetseite über 50 Störfälle auf: vom Ausfall einer Belüftungsanlage bis hin zu Schwergängigkeit von Regelventilen im Wasser-Dampf-Kreislauf.

"Jede Woche hat irgendwas nicht funktioniert", erinnert sich Marita Gehrken, die damals in der Bürgerinitiative aktiv geworden ist. Weil der Reaktor immer wieder heruntergefahren wurde, konnte er nur 423 Volllasttage aufweisen, bevor er im Jahr 1989 schon wieder abgeschaltet wurde - wegen technischer Probleme und hoher Kosten.

Dennoch wird die Technologie heute nach Kapstadt in Südafrika exportiert. Blume hat E-Mail-Kontakt zu einer deutschstämmigen Familie, die in der Nähe des geplanten Atomkraftwerks wohnt. "Das sind ganz normale Leute, denen es jetzt ein bisschen mulmig wird", sagt er.

In Hamm ist es hingegen ruhiger geworden. In Hochzeiten zählte die Bürgerinitiative noch über 100 Mitglieder, bei der größten Blockade des THTR sind 7.000 Leute zusammengekommen. Als aber die Brennelemente in den 90er-Jahren nach dem Aus des THTR ins Atommülllager nach Ahaus gebracht wurden, war das Kapitel für viele Menschen aus Hamm abgeschlossen. Für Atomkraftgegner wie Blume allerdings nicht: "Die Radioaktivität ist ja nicht verschwunden. Manchmal ist das schon ein bisschen ärgerlich, dass die Menschen nur ganz egoistisch an sich selbst denken."

Und so ist die Bürgerinitiative bis heute aktiv. Ab und zu fahren einige Leute nach Ahaus, um dort zu demonstrieren. Auch die akribische Öffentlichkeitsarbeit spielt eine wichtige Rolle für die Aktivisten: Vor Kurzem hat die Gruppe Informationen aus einem Bericht des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums an die Presse weitergegeben: Über 300 Millionen Euro soll der Rückbau kosten. Die Bürgerinitiative hat zudem ihr eigenes Organ, den THTR-Rundbrief. Er erscheint etwa achtmal im Jahr mit einer Auflage von 150 Exemplaren. Um die Internetseite kümmert sich ein Mitstreiter, der inzwischen in Berlin lebt, aber weiter virtuell in der Hammer Initiative mitarbeitet. Ein richtiges Büro der Gruppe gibt es ohnehin nicht. Alle sechs Wochen treffen sich die Aktiven privat. "Wir sind ein eingespieltes Team", sagt Gehrken, die Blume schon seit über 30 Jahren kennt.

www.reaktorpleite.de

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