Migrationszentrum der EU in Mali: Afrikaner schon zuhause abschrecken

Das erste afrikanische Migrationszentrum der EU wird eröffnet. Statt wie geplant als "Jobcenter" zu fungieren, wird das Zentrum CIGEM nun eher die Regierung beraten.

Illegale Einwanderer im Pariser Luxusrestaurant: Das will die EU nicht mehr sehen. Bild: ap

BAMAKO taz In Malis Hauptstadt Bamako ist gestern das erste "Migrationszentrum" der EU eröffnet worden. Unter der Schirmherrschaft Frankreichs und Spaniens soll das CIGEM (Zentrum für Information und Migrationsmanagement) Malis Regierung bei der Etablierung einer eigenen Migrationspolitik unterstützen. Bei der Eröffnung waren neben dem EU-Entwicklungskommissar Louis Michel und Malis Präsident Amadou Toumani Touré viele weitere hohe Politiker anwesend.

CIGEM hat vier Aufgaben: Erforschung der Migration in Mali und der Region, Information und Unterstützung sowohl potenzieller EmigrantInnen als auch freiwillig beziehungsweise unfreiwillig Zurückgekehrter, Information über legale Migrationsmöglichkeiten nach Europa und Sensibilisierung über die Gefahren der "illegalen" Migration, sowie die Einbeziehung der im Ausland lebenden Malier in die Entwicklung Malis. Wo zu Beginn noch von der Schaffung legaler Migrationsmöglichkeiten gesprochen wurde und von einem "EU-Jobcenter" , heißt es nun in der Presseerklärung: "Es ist nicht vorgesehen, dass das Zentrum Migranten dabei helfen wird, Jobs in Europa zu finden."

Die Vorbereitungen für die Eröffnungsfeier schienen nicht wie geplant zu verlaufen. So waren bis vor ein paar Tagen lediglich die Stellen der europäischen Koordinatoren und Experten besetzt, wohingegen die 40 malischen Stellen noch nahezu komplett ausstanden. Die CIGEM-Schilder standen noch im sonnnigen Innenhof des Gebäudes anstatt in der Stadt aufgehängt zu sein, und kaum ein Malier in Bamako hatte davon gehört.

Die Idee, ein Migrationszentrum in einem der wichtigsten Herkunftsländer afrikanischer Migranten in Europa zu errichten, kommt aus der Zeit, nachdem im September 2005 hunderte von afrikanischen MigrantInnen versucht hatten, die Zäune der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla in Marokko zu überwinden. Den EU-Politikern wurde vor Augen geführt, dass Migration auch durch immer höhere Zäune nicht zu stoppen ist. So erweiterte sich die Strategie der europäischen Migrationspolitik von einer auschließlichen Militarisierung der Außengrenzen hin zu einer Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik in den Herkunftsländern. So propagiert das CIGEM die besondere Bedeutung von Migration für die Entwicklung Malis.

Von den 12 Millionen Maliern leben mittlerweile ca vier Millionen im Ausland, davon allerdings nur etwa 5 Prozent in Europa, der Rest zumeist in afrikanischen Ländern. Die Bedeutung ihrer Rücküberweisungen übersteigt mit geschätzten 300 Millionen Euro pro Jahr bei weitem Malis Entwicklungshilfe. So ist etwa die Infrastruktur in der an Senegal grenzenden Region Kayes zu 60 Prozent aus Rücküberweisungen aus Frankreich finanziert worden.

Nach dem Willen des CIGEM sollen MigrantInnen jetzt auch zu produktiven Investitionen in der Heimat animiert werden. Wie sich dieses Ziel mit den schwindenden legalen Migrationsmöglichkeiten in die EU verträgt, ist jedoch unklar. Die alltägliche Aussage auf den Straßen Bamakos "Ohne die Rücküberweisungen von Migranten hätten wir nichts zu essen" unterstreicht die lebenswichtige Bedeutung von Migration bei der Unterstützung der daheimgebliebenen Familien.

In Mali werden kritische Stimmen laut. Bereits im März endete ein Treffen von aus Europa abgeschobenen Maliern in Bamako mit der Kritik, das CIGEM werde die Migration vor allem bekämpfen. In einem "Appell von Bamako" wurde Malis Regierung aufgefordert, das Zentrum nicht zu eröffnen und mit den dafür vorgesehenen Geldern lieber die Abgeschobenen zu unterstützen.

Ousmane Diarra, Präsident der "Organisation der abgeschobenen Malier" (AME), sagt, das CIGEM "zielt auf die Kontrolle der Migrationsbewegungen und dient der Verhinderung, Abschreckung und Entmutigung." Zudem warnt er davor, dass die neue Politik der "ausgewählten Migration" von Eliten, wie sie von der EU befördert wird, zu einem neuen Phänomen der "Kleenex-MigrantInnen" füht - saubere Migration nach europäischen Bedürfnissen.

Die AME weist weiter darauf hin, dass das CIGEM in direktem Zusammenhang mit den Verhandlungen über ein Rücknahmeabkommen zwischen Mali und Frankreich stehen. Ein solches Abkommen, welches Abschiebungen erleichtert, soll bei der zweiten Euro-Afrikanischen Konferenz zu Migration und Entwicklung am 21. Oktober in Paris unterzeichnet werden. Die EU versucht momentan mit möglichst vielen afrikanischen Ländern solche Abkommen abzuschließen - und zugleich Zentren zum Management von Migration zu eröffnen.

THOMAS BÖWING, JANA JANICKI

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