Bloggst du noch...: Oder twitterst du schon?

Eine schlichte 140-Zeichen-Kommunikation kommt in Mode: Mit "Twitter" kann man Freunde auf dem Laufenden halten. Klingt trivial, doch viele tun es - selbst Premiers und Marssonden.

Wo war Obama noch gleich? Bild: screenshot twitter.com

BERLIN taz "Flugmanöver angeschlossen", meldet "MarsPhoenix". Die Mars-Sonde der NASA schickt seit ihrem Start regelmäßig aktuelle Botschaften über ihren Status ins Web - platziert auf dem Kommunikationsdienst Twitter. Dieser Service startete erst im Juli 2006 - und wächst seitdem extrem schnell. Er bietet seinen Nutzern die schlichte Möglichkeit, in stets 140 Zeichen umfassenden Botschaften die Antwort auf die Frage "Was machst Du gerade?" ("What are you doing?") zu geben. Diese Statusbotschaft ("Tweet") lässt sich dann mit allen teilen, die sich für solche Updates interessieren - und das werden immer mehr.

Nun erscheint es sehr naheliegend, dass eine Mars-Sonde Statusdaten versendet. Doch nicht nur Sonden twittern, nicht nur Freunde für ihre Clique, sondern auch das Büro des britischen Premiers für seine Wähler - und über 2.500 Briten lesen nach. Im US-Vorwahlkampf nutzen Barack Obama und Hillary Clinton sowieso jedes Mittel - und twittern natürlich auch. Während Obama 31.000 Leser ("Follower") hat, sind es bei Hillary bloß 800.

Gern erzählt wird die Geschichte vom US-Studenten, der bei einem Besuch in Ägypten verhaftet wurde, und per Mobiltelefon gerade noch den Hinweis "arrested" über sein Mobiltelefon absetzen konnte - was an seiner Heimatuniversität einen Anwalt für seine Freilassung mobilisierte.

Wie viele Nutzer Twitter hat, ist unbekannt - Schätzungen reichen von 500.000 bis hin zu über einer Million. In Deutschland dürfte es mindestens mehrere Tausend bis Zehnttausend "Twitterati" geben, vor allem in Web 2.0-Zirkeln hat sich der Dienst schnell durchgesetzt. Die Antwort auf die "Was machst Du gerade?"-Frage gibt man dabei entweder per Web oder mittels IM-Chat-Anwendung. Wer zu viel Geld hat, kann zudem sein SMS-Kontingent für Twitter verbraten.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor des Dienstes dürfte die Offenheit gegenüber Drittentwicklern sein: Mit einer freien Schnittstelle (API) lässt sich der Dienst sehr leicht in eigene Softwareprojekte packen. Dutzende spezielle Twitter-Anwendungen (Clients) hat dies inzwischen hervorgebracht, so dass man den Dienst nicht mehr nur regulär per Browser, Handy oder Chat-Software nutzen kann, sondern auch bequem mit einem eigenen Programm vom Desktop aus. Auch im Web blüht die Twitter-Einbindung: So entwickelten Dritte unabhängig von der Firma eigene Suchmaschinen, Statistikwerkzeuge, grafische Darstellungen oder auch Twitter-Software, die speziell an Handys wie das iPhone angepasst ist.

Für einige der Macher hinter Twitter ist das derzeit sehr schnelle Wachstum des Dienstes nicht der erste große Web-Erfolg. Evan Williams, einer der Hauptgründer, steckte auch hinter dem Weblog-Dienst Blogger.com, den er später für Millionen an Google verkaufen konnte. Mit dem "Microblogging", das nun bei Twitter möglich ist, vereinfacht er die Kommunikation im Netz nochmals deutlich: Während man beim Bloggen meist längere Texte mit der Welt teilt, ist man bei Twitter pro Eintrag stets beschränkt, kann sich schneller mitteilen.

Das führt zu einem ganz bestimmten "Sound" - der Leser hat das Gefühl, am Leben des Nutzers auf die ein oder andere Art und Weise teilzunehmen, besonders auch, weil sich bei Twitter vor allem die kleineren Dinge in den Vordergrund drängen, vom aktuell genossenen Mittagessen bis zum letzten Musikkauf oder Kinobesuch.

Noch ist unklar, wie Twitter letztlich Geld verdienen soll. Der Dienst ist mit rund 20 Millionen Dollar Risikokapital ordentlich finanziert, macht derzeit aber noch keine Anstalten, ein Umsatzmodell zu kommunizieren, kämpft zudem mit regelmäßigen Ausfällen (offenbar ein Los der Popularität). Nur im japanischen Dienst, der kleiner ist als das US-Original, wird bereits Werbung geschaltet.

Möglich wäre es, Reklame zwischen die Tweets zu packen, doch genau das würde die Nutzer vermutlich sehr stören. Andere Ideen, die man aus dem Umfeld der Twitter-Gründer hört, drehen sich um die Vermarktung eigener Twitter-Accounts für Marken, die dann auf diese Weise mit den Käufern "kommunizieren" sollen.

Derzeit kann jede Firma ihren eigenen Kommunikationskanal aufsetzen, ohne dass es etwas kostet - so versuchen etwa zahlreiche Internet-Firmen, per Twitter "Buzz" für ihre neuen Produkte zu erzeugen. Selbst diverse Stars und Sternchen nutzen den Dienst bereits, etwa John Hodgman, der "PC" aus der Apple-Werbung.

Für den Nutzer funktioniert Twitter vor allem dann gut, wenn er den Dienst als Nebenbei-Medium begreift. Hat man besonders viele Twitter-"Freunde", denen man folgt, kommt man mit dem Lesen kaum mehr hinterher - auch versinken viele Informationsperlen in Banalitäten. Zum Glück existieren inzwischen recht gut funktionierende Suchmaschinen.

Auch der Datenschutzaspekt muss bei Twitter beachtet werden: Viele Nutzer geben viele Informationen über sich preis oder werden dabei erstaunlich intim. Ist der Account "öffentlich", wie es die meisten Twitter-Zugänge sind, werden diese Daten auch über Google auffindbar - jeder Tweet ist nämlich auch eine eigene Seite im Web, selbst wenn man ihn später löschen kann. Der Twitter-Popularität hat dies jedoch noch nicht geschadet, auch wenn es bereits Beispiele gab, bei denen sich Nutzer Ärger wegen ihrer Tweets einhandelten - etwa mit ihrem Arbeitgeber. Aber das war bei Blogs ja nie anders.

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