Historiale: "Geschichte ist auch Action"

50.000 Besucher werden zum Geschichtsfestival Historiale erwartet. Thema ist die Märzrevolution 1848. "Wir möchten die jungen Leute erreichen", sagt Darsteller Enno Lenze.

Enno Lenze, 25, ist IT-Techniker. Zur Zeit studiert er in Berlin Jura und arbeitet ehrenamtlich beim Verein Historiale. Am Dienstag spielt er einen Studenten. Mit roter Schildkappe mit schwarz-rot-goldenem Band und einem Gewehr in der Hand wird er auf dem Alexanderplatz für Bürgerrechte "kämpfen".

taz: Herr Lenze, die Märzrevolution von 1848 ist nicht unbedingt eines der wichtigsten Ereignisse in der deutschen Geschichte. Denoch widmet der Verein Historiale diesem Thema ein umfangreiches Programm.

Enno Lenze: Die Märzrevolution von 1848 war ein Meilenstein unserer Demokratie. Das sollte nicht in Vergessenheit geraten.

Aber schlussendlich war sie doch keine richtige Revolution?

Das ist richtig. Sie wird auch als "versuchte" oder "verkappte Revolution" bezeichnet. Aber Tatsache ist nun mal, dass sie die Grundlage für zahlreiche Errungenschaften wie zum Beispiel die Presse- und Redefreiheit war. Sie war die Initialzündung für viele demokratische Fragen.

Ein Programmpunkt der Historiale ist der Barrikadenkampf vom 18. März 1848, der auf dem Alexanderplatz nachgestellt wird. Wie muss man sich das vorstellen?

Die Inszenierung der Barrikadenkämpfe beginnt am Dienstag um 18.48 Uhr. Wir haben 50 Darsteller, die je eine Figur aus dieser Zeit verkörpern. Jeder hat sich einen eigenen Namen gegeben oder hat einen bestimmten Rang, wenn er Soldat ist. Zuerst werden wir gemeinsam das Lied "Die Gedanken sind frei" singen, begleitet von einer E-Giarre …

Wie bitte? Eine E-Gitarre im Jahr 1848?

Den Bruch machen wir bewusst. Wir möchten eine unterhaltsame Inszenierung bieten, zum Beispiel werden wir Hörstücke und bei anderen Gelegenheiten auch Videos einspielen.

Und nach dem Singen ?

Dann marschieren die Soldaten und die Revolutionäre auf. Stimmen der Akteure werden von Lautsprechern übertragen. Anschließend fordern die Garden die Revolutionäre auf, die von ihnen errichteten Barrikaden zu verlassen. Darauf folgt der Schusswechsel und die Kämpfe.

Wie sehen die Barrikaden aus?

Für die Barrikaden haben wir alte Türen und Preßspanplatten verwendet, grau angemalt und mit Erde und Blättern dekoriert. Sie sind sechs Meter breit und an der höchsten Stelle drei Meter hoch.

Müssen Sie sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, unwissenschaftlich zu sein?

Ja, klar. Bezüglich der Kostüme und Ereignisse gehen wir selbstverständlich authentisch vor. Deshalb arbeitet die Historikerin Dorothea Minkels mit uns zusammen. Sie ist Expertin für die Märzrevolution. In der Inszenierung, beziehungsweise in den Mitteln dafür, nehmen wir uns aber Gestaltungsfreiheit. Sie dürfen nicht vergessen: Es gibt schon sehr viele wissenschaftliche Veranstaltungen. Wir möchten aber die jungen Leute erreichen. Mit einem Vortrag kriegt man die allerdings nicht, deshalb arbeiten wir bewusst zielgruppengerecht.

Aber nur weil ein Jugendlicher sich ein solches Spektakel ansieht, heißt das ja nicht, dass er sich danach für Geschichte interessiert.

Die meisten Jugendlichen interessieren sich nicht für Geschichte, das stimmt. Deswegen muss man ihnen ja zeigen, dass Bildung spannend sein kann. Unsere szenische Darstellung ist Mittel zum Zweck. Alles, was es in einem guten Actionfilm auch vorkommt, gibt es: Es wird geschossen, Gut und Böse kämpfen gegeneinander. Die Besucher sollen erkennen: Geschichte ist auch Action.

Finden Sie das nicht ein bisschen makaber - gerade im Hinblick auf die Kriege weltweit?

Uns geht es nicht darum, den kriegerischen Akt darzustellen. Wir möchten den Leuten klar machen, dass es Menschen gab, die für mehr Rechte gekämpft haben, die für ihre Überzeugung eingestanden sind. Der Kampf war das letzte Mittel, aber die Leute waren damals bereit, für Bürgerrechte ihr Leben zu riskieren. Es ist ja auch nicht selbstverständlich, dass man frei mit der Presse redet, so wie wir es hier gerade tun.

Ist das ein Mittel, das man auch heute einsetzen sollte?

Heutzutage gibt es die Möglichkeit von Demonstrationen und Petitionen. Leider stehen die Leute viel zu wenig für ihre Rechte ein. Okay, uns geht es auch ziemlich gut, aber jeder sollte das Interesse haben, sich an der Demokratie zu beteiligen.

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