Finnland: Streit über das Stasi-Erbe

In den Rosenholz-Dateien der Stasi sind auch Finnen erfasst. Der Verfassungsschutz hat sich beim Umgang mit den Akten diskreditiert - sogar der Chef musste gehen.

CD mit von den USA zurückgegebenen Stasiakten Bild: dpa

STOCKHOLM taz Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR hatte ein umfängliches Informantennetz auch im westlichen Ausland. Finnland war keine Ausnahme. Angeblich beziehen sich mindestens 186 Namen aus den sogenannten Rosenholz-Dateien auf tatsächliche oder von Stasi-Mitarbeitern behaupteten Kontakte zu Personen in Finnland. Die Rosenholz-Dateien sind Unterlagen des Auslandsgeheimdienstes der DDR, die in der Wendezeit unter bis heute nicht genau geklärten Umständen zum US-Geheimdienst CIA gelangten.

Während in Deutschland Wissenschaftler, Journalisten oder Betroffene auf Antrag Einblick in diese Unterlagen bekommen können, gibt sie der finnische Verfassungsschutz grundsätzlich nicht heraus. Über die Gründe wird wild spekuliert. Sollen etwa hochrangige Politiker, Militärs und Wirtschaftsmanager geschützt werden, für die die Enthüllung einer Stasi-Mitarbeit auch fast zwei Jahrzehnte nach Ende der DDR noch in hohem Maße abträglich sein könnte? Eine seit langem vor sich hin köchelnde Debatte hierüber ist jetzt wieder voll entbrannt. In diesem Zusammenhang ist vor einer Woche sogar der Chef des Verfassungsschutzes Supo, Seppo Nevala, vorzeitig pensioniert worden. Offiziell wird das mit Gesundheitsgründen begründet. Die Medien spekulieren aber, dass die Regierung einen Wechsel an der Spitze der Supo (Suojelupoliisi) wünscht, weil sich der Verfassungsschutz mit seiner Behandlung der Stasi-Akten heillos diskreditiert hat.

Im Jahr 2000 hatte die damalige Regierung noch grundsätzlich befürwortet, wenigstens Forschern Zugang zu den Unterlagen zu gewähren. In der Folge führte sie dann aber zwei unterschiedliche Argumente an, um diese Informationen doch nicht herausgegeben zu müssen. Zum einen hieß es, man habe den US-Stellen versprochen, diese Unterlagen nicht weiterzugeben. Zum zweiten wurde dann mit einem Mal behauptet, es gebe die entsprechenden Unterlagen überhaupt nicht.

Stefan Wallin, Umweltminister und Vorsitzender der liberalen Partei der schwedischen Minderheit SFP, vermutet, es handele sich um eine vorsorgliche Maßnahme, denn möglicherweise könnten nicht alle Verantwortlichen angemessen mit den Stasi-Unterlagen umgehen, insbesondere vielleicht die Sensationspresse nicht die "nötige Quellenkritik" an den Tag legen. Kritiker des Verfassungsschutzes können sich aber einen ganz anderen Grund vorstellen: Würden zusammen mit den Stasi-Akten nicht auch Leichen aus dem Keller der finnischen Supo ans Tageslicht kommen? Das kleine, neutrale Finnland mit seinem übermächtigen Nachbarn im Osten musste sich zu Zeiten des Kalten Krieges auf manche Kompromisse und Geschäfte einlassen, an die man heute nicht mehr gern erinnert wird.

Angesichts aller wilden Vermutungen und Theorien über den Zickzackkurs der Supo hatte Regierungschef Matti Vanhanen in der vergangenen Woche nichts Besseres zu tun, als seinen Kabinettsmitgliedern, was das Thema angeht, einen Maulkorb zu verpassen. Der Juraprofessor Olli Mäenpää erklärte dazu: "Das Recht auf Meinungsfreiheit kann einem doch nicht genommen werden, nur weil man Minister ist." Auch Staatspräsidentin Tarja Halonen kritisierte den Ministerpräsidenten indirekt mit der Aussage, es sei an der Zeit, die Heimlichtuerei zu beenden. Vanhanen erklärte daraufhin, er wolle die neue Supo-Führung bitten, die Frage des Zugangs zu dem Stasi-Material neu zu prüfen.

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