„Mad Men“ – die letzte Folge: Ommmmmm!

„Mad Men“ ist zu Ende. Was haben wir geweint, was haben wir gelacht. Was haben die mit uns gemacht? Ein sensationelles Finale.

Cheers und farewell, Mad Men Bild: Justina Mintz/ap/AMC

Neues Leben in Kalifornien? Don meditiert Screenshot: http://www.amc.com/

Work it, Peggy – bei Mad Men stimmte jedes Detail, von der Kleidung bis zur Zigarettenmarke Bild: http://www.amc.com/

Was ist passiert?

Rieke Havertz: Don ist auf dem Weg gen Westen, mittlerweile ohne Auto. Betty todkrank, Joan abgefunden, Sterling scheinbar untergetaucht. Die vorletzte Episode „The Milk and Honey Route“ brachte lose Enden und keine eindeutigen Hinweise auf das Finale.

Doris Akrap: Lose Enden! Schöne Metapher für die ganze Serie. Das ist schon stark, wie Weiner bis zum Schluss diese Erzählweise durchhält. Das Leben ist ein „Carousel“. Es geht immer weiter. Und immer gleich. Es gibt kein Ereignis, das eintritt und alles ändert.

Was ist sonst noch wichtig?

RH: Das Ende einer Ära, alles ist wichtig. Alles andere außerhalb dieser letzten 57 Minuten: unwichtig.

DA: Stimmt. Wichtig war nur vorher, dass man bis zu diesen letzten 57 Minuten nochmal alle Folgen im Marathon gesehen hat.

Die Schlüsselszene

RH: Es gibt viele und alle verbindet eins: Sie werden am Telefon geführt. Don mit Sally, als diese ihrem Vater von der Krebserkrankung von Betty erzählt. Don mit Betty. Don mit Peggy. Peggy mit Stan. Joan mit einem Kunden.

DA: Und Joan mit Peggy! Überhaupt das Telefon und Mad Men. Wie Betty immer in ihrer Wohnküche stand und sich mit „Draper's Residence“ meldete. Und jetzt ist es dieses letzte Telefongespräch, die ihre ganze Beziehung in drei Minuten einfängt: „Please don't let your pride interfere with my wishes.“ (Betty). „Birdie“. „I know“. („Bitte lass deinen Stolz nicht meine Wünsche überlagern.“ „Birdie.“ „Ich weiß.“)

Der beste Dress

RH: Der brokatschwere Bettüberwurf, den Roger trägt wie ein römischer Gott.

DA: Dons T-Shirts. Erst das weiße, dann das mintgrüne Polohemd und am Ende wird das weiße Shirt zum weißen Hemd: Wiederauferstehung. Ommmm!

Der beste Drink

RH: Die Bloody Marys, die Joan und Peggy gemeinsam trinken, während sie den Plan diskutieren, eine eigene Produktionsfirma für Werbefilme zu gründen.

DA: Die kleinen Pastis, mit denen Roger und Megans Mutter Mari Calvert in einem kleinen Café anstoßen.

Der beste Dialog

RH: „Your life is undeveloped property. You can turn it into anything you want. It’s got a hell of a view.“ („Dein Leben ist wie ein unberührtes Grundstück. Du kannst es in alles verwandeln, was du willst. Und es hat einen verdammt guten Blick.“) Richard über Joans Leben. Und dann tut sie genau das, sie entscheidet über ihr Leben – und er geht. Und natürlich Peggys und Stans verquere Liebeserklärung via Telefon von Büro zu Büro.

DA: Alle Dialoge.

Die bitterste Szene

RH: Don und Betty bei ihrem letzten Gespräch. „Birdie“!!

DA: Definitiv! Aber auch die in der Hippie-Runde, in der ein Unbekannter ausspricht, was Don ist: ein Kühlschrank.

Die schönste Szene

RH: Joan und Roger in ihrer gemeinsamen Abschiedsszene – sie waren das Paar von Mad Men, made to be, in Schönheit gescheitert und am Ende ohne einander glücklich.

DA: Wie Joan in ihrer Wohnung steht, den Telefonhörer in der Hand, eine Mitarbeiterin am Tisch. Das überraschendste Comeback. Joan gründet ihre Firma.

Was man hört

RH: „Hello, I Love You“ von den Doors läuft in der Garage in Utah, in der Don am Anfang der Folge strandet.

DA: Die Serie über den Werber Don Draper, sie endet mit einem Werbevideo, für die Marke, die Don immer gejagt hat: Coca Cola. „The Hilltop“ hieß dieses Video. Matthew Weiner: Genial. It's the real thing.

Was man liest

DA: Nichts.

Dons Abgang

RH: Wen ruft er an, als er alles in Frage stellt? Nicht Betty, nicht Megan, sondern die eine Frau, die immer eine Konstante in seinem Leben war: Peggy. Es ist ein letzter „person to person“-Anruf, ein Anruf, der nur durchgestellt wird, wenn die Person, die man erreichen möchte, am anderen Ende ist. Und Don lässt die Fassade seiner Existenz fallen. Es ist seine letzter großer Monolog, das große Finale bestreitet nicht Don, es ist ein völlig Unbekannter, der in einer der Sitzungen darüber spricht, wie er als Person nicht wahrgenommen wird. Keine Analogie für Dons Leben, wohl aber vielleicht für Dicks Leben, für Dons eigentliche Biographie, bevor er sich eine andere geschaffen hat.

Danach scheint Don meditierend seinen Frieden gefunden zu haben. Oder gelingt ihm dort, an den Felsen in Kalifornien doch noch der große Coup: die Idee für den Coca-Cola-Werbespot? Oder ist es nur der zynische Schlusspunkt, der zeigt, das jede Subkultur und jede Ideologie früher oder später in einem Werbeslogan aufgeht?

DA: Dass es eben nicht Don ist, der da am Ende ausspricht, dass er ein Kühlschrank ist, sondern ein anonmyer gescheiterter Familienvater würde ich so interpretieren, dass Don eben nicht eingesteht, dass er gescheitert ist. Dieses Telefongespräch mit Peggy „I just realized that I didn't say good bye to you“ – ist gar keine Beichte. Es ist ein Hilferuf. Jemand muss ihm sagen: „Come home“. Betty hat das nicht getan.

Und über den Schluss werden wir noch jahrelang reden. Aber mein erster Eindruck: Don hat „McCann Ericksson“ verlassen als er hörte, wie ein x-beliebiger Werber seine Rhetorik kopiert: „Imagine it's you.“ Aber dieser Mann sagt auch, dass „YOU“ nur einer von Millionen anderen ist. Und jetzt kommt Don am Ende in dieser Hippie-Kommune an und macht diesen Spot, in dem es eben nicht mehr um den Einzelnen geht, sondern um die ganze Welt in schwarz, weiß, gelb, rot. „We are the World“. Er hat – vorläufig – ein neues Zuhause gefunden. Er muss nicht mehr „Ich“ sein, er kann in der Gruppe der Welt aufgehen.

Das Fazit

RH: In der ersten Folge der ersten Staffel sagt Don: „Werbung basiert auf einer Sache allein – und das ist Glück. Und weißt du, was Glück ist? ... Es ist eine Werbetafel am Wegesrand die dir versichert, dass was immer du tust, du wirst okay sein. Du bist okay.“ Das Ende von Mad Men ist nicht tragisch und es ist nur bis zu einem gewissen Grad offen – hat Don die Coca Cola Werbung gemacht und ist in sein Leben zurückgekehrt, oder nicht? Aber egal, wie man diese Frage für sich selbst beantwortet, der Eindruck von Don am Ende von sieben Staffeln ist: Er ist okay.

Und viele andere Charaktere – Betty ausgenommen, aber sie hat ihr Schicksal angenommen – scheinen ebenfalls genau das zu sein: in Ordnung und auf dem Weg in die 70er Jahre, nicht mehr gemeinsam verbunden durch eine Agentur, sondern jeder mit seinem eigenen Leben. Den schönsten Abschluss dabei bekommt Joan, die das tut, worum sie sieben Staffeln lang gekämpft hat und worum keine Frau sollte kämpfen müssen: Sie gründet ihre eigene Firma, mit zwei Namen, weil das gut klingt. Holloway-Harris: Es sind ihre eigenen beiden Namen. Sie braucht niemanden für ihren Erfolg.

DA: Ein Wahnsinns-Finale. Sowohl diese allerletzte Folge, als auch die letzten sieben Folgen dieser letzten Staffel. In so gut wie jeder Szene in diesen sieben Folgen schoss die gesamte Serie auf einen Moment zusammen. Man könnte anhand von zig Einzelszenen die gesamte Serie erzählen und das würde ewig dauer.

Darin zeigt sich wirklich die große Kunst des Matthew Weiner: Mit einem Kleid, mit einer Farbe, mit einem Blick, mit einem Sprung in den Pool, mit einem einzigen Detail alles erzählen zu können. Das Finale aber halte ich – anders als erwartet – für ebensogroß wie das bislang größte Finale aller US-Serien, das der Sopranos. Erstmal herrscht Schweigen. Aber Ommmm – der Klang des Absoluten. Der Sound von der Einheit allen Seins. Ich freue mich schon auf die nächsten Jahre, in denen wir darüber sprechen werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.