Jahrestag des Tiananmen-Massakers: KP-Blatt spricht das Tabu an

Ausgerechnet die regimetreue „Global Times“ greift zum 26. Jahrestag des Tiananmen-Massakers das heikle Thema auf – und wird zensiert.

Aufnahme des Tiananmen Platz mit einem Wächter

Alles ruhig: Der Tiananmen-Platz am Tag vor dem Jahrestag des Massakers. Foto: dpa

PEKING taz | Wie jedes Jahr seit 26 Jahren wird die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Tiananmen) in der Nacht zum 4. Juni 1989 von Chinas staatlich kontrollierten Medien weitgehend totgeschwiegen. Damit im chinesischen Internet auf keinen Fall eine Diskussion entbrennt, löschen Zensoren schon Wochen vorher sämtliche Einträge, die auch nur ansatzweise an die Ereignisse von damals erinnern. Doch dieses Jahr gibt es eine Ausnahme.

Ausgerechnet die besonders regimetreue Global Times, bekannt für ihren nationalistischen Zungenschlag, veröffentlichte vergangene Woche einen Leitartikel zum Massaker. Auslöser war ein offener Brief, den elf chinesische Studenten im Ausland vor zwei Wochen ins Netz gestellt hatten.

Darin beschäftigen sie sich intensiv mit den Demokratieprotesten vom Frühjahr 1989 und deren Niederschlagung. „Als Beobachter außerhalb der chinesischen Internetmauer haben wir ungehinderten Zugang zu Bildern, Videos und Nachrichten aus jenem schicksalsvollen Jahr“, schreiben sie. „Das verpflichtet uns, unseren Landsleuten die Tragweite dieser Tragödie zu vermitteln.“ Die Verfasser fordern Chinas Führung auf, die Geheimniskrämerei über das Massaker zu beenden.

Wenn auch als Zurückweisung gemeint, greift der Kommentator der Global Times den Brief der im Ausland lebenden Studenten erstaunlich unverblümt auf. Er hält sie für „feindliche Kräfte“, die ein Interesse hätten, die chinesische Gesellschaft zu spalten. Gemäß einer von Chinas Führung ausgegebenen Direktive schreibt der Autor des Artikels auch nicht von „Massaker“, sondern lediglich von „Vorfall“.

Zur Freude der Studenten: Unmittelbar nach Veröffentlichung des offenen Briefs seien die Reaktionen noch mau ausgefallen, berichtet Gu Yi, Initiator des Briefs und Student an der Georgia Universität in den USA. Selbst nach vier Tagen habe er gerade einmal 50 Antworten bekommen.

Doch das änderte sich mit dem Kommentar der Global Times. Der habe ihnen über Nacht 120 Reaktionen beschert. „Das war kostenlose Werbung.“ Das müssen auch Chinas Zensurbehörden so gesehen haben. Die chinesische Version des Kommentars ist in China seit einigen Tagen gelöscht – wie alles zum Tiananmen-Massaker.

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